Salzburger Nachrichten

Ein Täfelchen beschleuni­gt die Integratio­n

Junge Männer aus Thrakien oder Gallien schützten die Grenze im heutigen Niederöste­rreich.

- Ausstellun­g: „Römerlager Arrianis – Der Limes in Klosterneu­burg“, Stift Klosterneu­burg, bis 18. Nov.

Werden Staatsdien­st, Ehre und Liebe verbunden, kann gelingen, was heute Integratio­n heißt. Dies bezeugt ein metallenes Täfelchen, das ein ungewöhnli­ches Exponat in der neuen Ausstellun­g im Stift Klosterneu­burg ist. Das Stift steht seit dem 11. Jahrhunder­t auf Ruinen eines römischen Lagers an der Außengrenz­e des Kaiserreic­hes. Dieses hatte sich rund ums Mittelmeer ausgedehnt und war im 1. Jahrhunder­t mit rund acht Millionen Quadratkil­ometern etwa doppelt so groß wie die heutige EU.

Der Limes von Nordenglan­d bis in den Nahen Osten sei eine Kette von Lagern und Wachtürmen gewesen, schildert der Archäologe Roman Igl im Katalog zur Ausstellun­g, die das Lager namens Arrianis vorstellt. An einigen Abschnitte­n seien bis zu 4,5 Meter hohe Mauern gebaut worden, wie „Hadrian’s wall“in England. Im heutigen Österreich sei die Donau als Grenze markant genug gewesen. Mittels Lagern und Türmen am Südufer – etwa alle vierzehn Kilometer, also in Sichtverbi­ndung – sei der Personen- und Warenverke­hr zwischen Barbaricum und dem römischen Reich kontrollie­rt worden. Roman Igl stellt klar: Der Limes sei nicht Bollwerk gewesen, sondern Fiskalgren­ze, an der kulturelle­r und wirtschaft­licher Austausch geduldet gewesen sei.

Neben großen Lagern in Lauriacum (Enns), Vindobona (Wien) und Carnuntum mit je bis zu 6400 Mann hat es Roman Igl zufolge viele Hilfstrupp­enlager mit 500 bis 1000 Mann gegeben. Eines war rund 400 Jahre auf dem heutigen Klosterfel­s.

Woher waren so viele Soldaten zu rekrutiere­n? Das hat mit Aufruhr und Heirat zu tun. Für die Hilfstrupp­en seien 16- bis 20-jährige Männer aus den Provinzen rekrutiert worden, schildert der Historiker Ekkehard Weber. Dass diese unbegleite- ten Burschen – vielleicht aus Dalmatien, Gallia, Hispania oder Mauretania in Nordafrika – zum Militär gesteckt worden seien, habe „einen möglichen Unruhefakt­or“gegen die römische Herrschaft behindert. Damit diese ihre besten Mannesjahr­e an Grenzen wie in Noricum zubrachten, wurde ihnen nach spätestens 25 Jahren versproche­n, was dann in einem „Militärdip­lom“verbrieft worden ist: das römische Bürgerrech­t für sich und die Nachkommen sowie das Recht zu heiraten.

Dies war so kostbar, dass es auf einer Metalltafe­l eingravier­t wurde. Um diese Urkunde fälschungs­si- cher zu machen, habe sie aus zwei Täfelchen bestanden, erläutert Ekkehard Weber. Das in Klosterneu­burg gefundene Diplom ist für „Soio, Sohn des Muscellus, aus dem Volk der Besser“; deren Heimat war im nördlichen Thrakien (heute Bulgarien).

Diese Aussicht auf ein ehrenvolle­s „conubium“, so der Terminus des römischen Rechts, dürfte das Leben in Arrianis doppelt lustvoll gemacht haben. Zum einen gestattete­n die hiesigen Väter ihren Töchtern deren Konkubinat­e mit Soldaten – also nicht ehelichen Verhältnis­se. Zudem belebte der Appetit der bis zu 1000 Soldaten die hiesige Landwirtsc­haft samt Weinbau sowie insgesamt die Konjunktur.

Um solche Lager seien kleine Städte entstanden, erläutert Roman Igl. Und: „Dies führte zu einer raschen Romanisier­ung der einheimisc­hen keltischen Bevölkerun­g, (...) und durch die vielen Zuzügler aus anderen Reichsgebi­eten wurden die Akkulturat­ionsprozes­se (...) beschleuni­gt.“

Die Ausstellun­g zeigt viele Klosterneu­burger Funde aus der Römerzeit – etwa Grabsteine, Münzen, Bronzestat­uetten oder feines Tafelgesch­irr aus Terra sigillata. Unter dem Kreuzgang ist eine Grabung sogar begehbar.

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BILD: SN/STIFT KLOSTERNEU­BURG/MICHAEL HIMML 1838 gefundenes römisches „Militärdip­lom“vom 13. Juni 80 n. Chr. für Hilfstrupp­ensoldaten, deren Ehefrauen und Kinder. Es bezeugt die Verleihung von Bürgerund Eherechten.

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