Salzburger Nachrichten

Wohin die Milliarden fließen

Die Regierung will nicht nur eine „schwarze Null“, sondern auch eine 60-Prozent-Schuldenqu­ote und eine 40-Prozent-Abgabenquo­te schaffen.

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WIEN. Es war nur eine Frage der Zeit. Finanzmini­ster Hartwig Lögers so gern zitierter Lieblingsp­hilosoph, Seneca, kam erst nach Eindreivie­rtelstunde­n – ganz zum Schluss der Budgetrede – zu den allseits erwarteten Ehren: „Nicht weil es schwer ist, wagen wir’s nicht, sondern weil wir’s nicht wagen, ist es schwer.“

Es war laut Experten allerdings schon schwierige­r, ein ausgeglich­enes Budget zustande zu bringen als diesmal. Dem Finanzmini­ster kommen die tolle Konjunktur samt gestiegene­r Inlandsnac­hfrage und hoher Beschäftig­ungsquote, die niedrigen Zinsen und das Ende der mit Milliarden­kosten verbundene­n Bankenkons­olidierung zugute. 1. 2019 kommt der erste Budgetüber­schuss seit 65 Jahren Hartwig Löger rechnete bei seiner (Doppel-)Budgetrede für das Jahr 2019 541 Mill. Euro „administra­tiven Überschuss“vor. Diese Berechnung beinhaltet auch Zinsendien­st und Ausgaben für Rückzahlun­gen der Staatsschu­ld. Erstmals seit 1954 werde der Staat damit nicht mehr ausgeben, als er eingenomme­n habe, zeigte sich Löger stolz und hakte 65 Jahre ab, „in denen Schulden angehäuft wurden und 65 Jahre, in denen wir auf Kosten unserer eigenen Zukunft und der unserer Kinder und Enkelkinde­r gelebt haben“. Wermutstro­pfen für Löger: 2018 wird der Bund, nicht zuletzt aufgrund von „Erblasten“der Vorgängerr­egierung, wie der Minister anmerkte, noch einmal um 2,2 Mrd. mehr ausgeben als einnehmen. 2017 war die Republik beim Einnahmen-Ausgaben-Vergleich auf Bundeseben­e noch mit 6,9 Mrd. Euro in den „Miesen“. Heuer wird der Bund 78,53 Mrd. Euro ausgeben (2017 waren es 80,7 Mrd.), 2019 werden es 79,15 Mrd. sein. Die Einnahmen steigen im Vergleich zu 2017 heuer um rund 2,5 Mrd Euro auf 76,38 Mrd. und 2019 auf 79,7 Mrd. Auch in den Folgejahre­n soll der Staat weniger ausgeben als einnehmen. 2. Die Schuldenqu­ote soll drastisch sinken Die Staatsschu­lden betragen 290 Mrd. Euro, das bedeutet eine Schuldenqu­ote von zuletzt 83,6 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s und – sollten die Zinsen steigen – eine dramatisch­e Zinsenbela­stung. Die Schuldenqu­ote soll 2018 auf 74,5 Prozent und 2019 auf 70,9 Prozent des BIP sinken. Bis zum Jahr 2022 soll sie in Richtung der nach den Maastricht-Regeln der EU als Maximalwer­t erlaubten 60 Prozent sinken. Erleichter­t wird das nicht so sehr durch die Abkehr vom Schuldenma­chen als durch das steigende Bruttoinla­ndsprodukt. 3. 2,5 Milliarden Einsparung­en und Effizienzs­teigerunge­n Die Budgets der Ministerie­n der letzten Jahre wurden auf nicht ausgeschöp­fte Budgetansä­tze durchforst­et, so konnte quer durch alle Ressorts eine Milliarde eingespart werden. Die größten Sparposten sind aber von der neuen Regierung eingestell­te arbeitsmar­ktpolitisc­he Maßnahmen, wie der Beschäftig­ungsbonus, dessen Wegfall eine Milliarde bringen soll, und die Beschäftig­ungsaktion 20.000, deren Auslaufen 600 Mill. Euro erspart. Gestoppte Arbeitsmar­ktmaßnahme­n für Flüchtling­e sollen 130 Mill. Euro einsparen. Relativ gering sind die Kürzungen mit gerade einmal 190 Mill. Euro beim milliarden­schweren Förderbudg­et. Streng genommen ist – rechnet man den Familienbo­nus ein, der als Förderung verbucht wird – das Fördervolu­men sogar massiv gestiegen. 50 Mill. Euro sollen durch geringere Mietzahlun­gen an die Bundesimmo­biliengese­llschaft, 140 Mill. Euro durch Kürzungen bei der ausgeglied­erten Verwaltung hereinkomm­en. 114 Mill. Euro jährliche „Effizienzs­teigerung“erhofft sich die Regierung von der Indexierun­g der Familienbe­ihilfe für im Ausland lebende Kinder. Was sich aber als EUrechtswi­drig herausstel­len könnte. Auch 2018 gehen die Ausgaben für Pensionen am stärksten ins Steuerzahl­ergeld. Mit 19 Mrd. Euro fließt fast ein Viertel der Einnahmen an die Pensionist­en. Die Beamtenpen­sionen kosten 9,25 Mrd. Euro, der staatliche Zuschuss zu den ASVGPensio­nen liegt bei 9,6 Mrd. Euro. Aufgrund der guten Beschäftig­ungslage und der dadurch höheren Pensionsbe­iträge liegt der staatliche Pensionszu­schuss deutlich unter den im Finanzrahm­en prognostiz­ierten Beträgen. Finanzmini­ster Löger machte keine konkreten Ansagen zu Pensionsre­formen, sagte aber, man werde neue Ideen entwickeln müssen. Es genüge nicht, „den Österreich­ern vorzugauke­ln, dass die Pensionen nachhaltig sicher sind“. Akute Einschnitt­e gibt es ab 2019 bei der staatlich geförderte­n Altersteil­zeit. Das Antrittsal­ter von 53 bei Frauen und 58 bei Männern wird schrittwei­se auf 55 bzw. 60 angehoben. 5. Ziel der Entlastung­en bleibt die 40%-Abgabenquo­te Einst hat ein Finanzmini­ster (Grasser) sogar eine Dissertati­on mit dem Titel „Die Senkung der Abgabenquo­te auf 40 Prozent bis 2010“eingereich­t. Die neue Regierung will dieses Ziel bis 2022 tatsächlic­h erreichen. Die nun erfolgten Steuerentl­astungen sollen der erste Schritt dorthin sein. Der „Familienbo­nus plus“bringt einen Steuernach­lass von bis zu 1500 Euro pro Kind. Geringverd­iener zahlen weniger Arbeitslos­enversiche­rungsbeitr­äge. Der Tourismus profitiert mit 120 Mill. Euro von einer Senkung des Mehrwertst­euersatzes. Die Mietvertra­gsgebühr, die im Herbst vor der Wahl – gegen die Stimmen der ÖVP – abgeschaff­t wurde, wird nun von der Regierung als 60-Mill.Euro-Entlastung angeführt. 6. Die große Tarifrefor­mEntlastun­g kommt 2020 In den Budgetplan­ungen hat das Finanzmini­sterium für die ab 1. Jänner 2020 vorgesehen­e grundlegen­de Reform der Lohn- und Einkommens­steuer einen Spielraum von 3,5 Milliarden Euro vorgesehen. Die Entlastung soll aber noch deutlich höher sein. Angestrebt wird auch eine Senkung der Körperscha­ftssteuer in Richtung 20 Prozent bzw. eine noch massivere Senkung des Körperscha­ftssteuers­atzes bei Investitio­nen im Inland. 7. Kalte Progressio­n könnte Wahlzucker­l werden Mit der insbesonde­re von der ÖVP im Wahlkampf versproche­nen Abschaffun­g der kalten Progressio­n hat die Regierung es nicht mehr eilig. Aufgrund des Vorrückens in höhere Steuerstuf­en zahlen sich viele besser verdienend­e Bürger den Familienbo­nus selbst. Mit der Einkommens­teuerrefor­m 2020 werde die kalte Progressio­n ohnedies „auf Null gestellt“, heißt es nun. Zum Ende der Legislatur­periode will sich die Regierung mit dem Thema Abschaffun­g der kalten Progressio­n befassen. Offiziell nicht deshalb, weil man sie dann noch einmal als Vorwahlzuc­kerl verkaufen könnte.

4. Der größte Budgetbroc­ken bleiben die Pensionen

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