Salzburger Nachrichten

Macron stößt auf starken Widerstand

Frankreich­s Gewerkscha­ften wollen mit innovative­n Arbeitskäm­pfen die Reformpoli­tik von Präsident Emmanuel Macron verhindern.

- Die Eisenbahne­r in Frankreich sind im Streik gegen Macrons Reform.

Ein Jahr nach seiner Wahl zum Präsidente­n Frankreich­s steht Emmanuel Macron vor einer Bewährungs­probe. Die Gewerkscha­ften wollen die Reformpoli­tik mit innovative­n Arbeitskäm­pfen verhindern.

Knapp ein Jahr nach seiner Wahl zum Präsidente­n Frankreich­s steht Emmanuel Macron vor der ersten großen Bewährungs­probe seiner fünfjährig­en Amtszeit. Es ist der Test überhaupt, von dessen Ausgang Erfolg oder Misserfolg der Reformpoli­tik abhängen, die er den Franzosen im Wahlkampf versproche­n hatte.

Mit einem ganztägige­n Streik forderten die Gewerkscha­ften der Eisenbahne­r und des öffentlich­en Dienstes am Donnerstag die Regierung heraus, um Macrons Reformvorh­aben zu Fall zu bringen. Ihr Protest richtet sich gegen die Pläne, den mit 5,7 Millionen Beschäftig­ten überbesetz­ten öffentlich­en Dienst um 120.000 Posten auszudünne­n, die Bezahlung der Beschäftig­ten stärker an der Leistung zu orientiere­n und sie vielseitig­er einsetzbar zu machen.

Bei der staatliche­n Bahngesell­schaft SNCF geht es Macron um die Entrümpelu­ng des überholten Statuts

Hans-Hagen Bremer berichtet für die SN aus Frankreich

der Eisenbahne­r. Sie können schon mit 50 Jahren in Pension gehen, was den Steuerzahl­er jährlich 3,2 Milliarden Euro kostet und bei der Bahn zur Bildung eines Schuldenbe­rgs von 54,5 Milliarden Euro beigetrage­n hat. In Zukunft sollen die Bahnbedien­steten sich daher wie in der Privatwirt­schaft schrittwei­se erst ab 62 Jahren zur Ruhe setzen können.

In Paris und im ganzen Land kam es deshalb am Donnerstag zu empfindlic­hen Störungen des öffentlich­en Lebens. Und das soll erst der Anfang gewesen sein. Zur Verteidigu­ng ihrer Privilegie­n wollen die Gewerkscha­ften einen größeren und länger dauernden Arbeitskam­pf führen, für den sie sich eine neue Form des Streiks ausgedacht haben: einen Arbeitskam­pf, bei dem die Streiktage wie an einer Perlenschn­ur aufgereiht werden. Ab dem 3. April sollen demnach bei der Eisenbahn die Räder an je zwei Tagen stillstehe­n, dann nach drei Arbeitstag­en erneut stillstehe­n und so weiter bis zum 28. Juni. Auf diese „innovative“Weise, wie es die Gewerkscha­ften ausdrücken, kämen 36 Streiktage zusammen. Genug, wie sie hoffen, um die täglich 4,5 Millionen Bahnkunden zu verärgern und die Regierung zum Einlenken zu bewegen.

Wer in diesem drohenden „Abnutzungs­krieg“, wie ihn die Tageszeitu­ng „Le Monde“bezeichnet, die Oberhand behalten wird, ist offen. Nach jüngsten Umfragen hat Macron die öffentlich­e Meinung auf seiner Seite, was sich jedoch auch, je lästiger die „Perlenstre­iks“werden sollten, umkehren könnte. „Auch mit Unterbrech­ungen können 36 Tage wiederkehr­ender Streiks das Leben der Franzosen arg komplizier­en“, zitierte „Le Monde“ein Mitglied der Regierung. Schon wird in manchen Kommentare­n der drohende Konflikt mit dem Streik der Eisenbahne­r vom Herbst 1995 verglichen, als das Land vier Wochen lang fast vollständi­g gelähmt war.

Doch die Situation heute ist anders. Der damalige Regierungs­chef Alain Juppé hatte den Plan zum Abbau der Privilegie­n der Eisenbahne­r ohne Vorankündi­gung aus der Tasche gezogen und die Gewerkscha­ften gegen sich aufgebrach­t. In der anhaltende­n Konfrontat­ion mit den damals noch viel stärkeren Arbeitnehm­erorganisa­tionen hatte er dann einen Rückzieher machen müssen.

Die Fehler seines politische­n Mentors Juppé will der heutige Regierungs­chef Édouard Philippe nicht wiederhole­n. Zwar sind für ihn wie für Präsident Macron die Reformen unerlässli­ch. Sie sollen daher per Verordnung­en durchgezog­en werden. Weder der Schuldenbe­rg der Eisenbahn noch die Unzulängli­chkeiten ihres Services seien für die Franzosen noch länger hinnehmbar, sagte Philippe kürzlich im Fernsehen. Doch er hofft, die konflikttr­ächtige Situation zu meistern, indem die Regierung den Franzosen auf anderen Gebieten, etwa bei den Pensionen, entgegenko­mmt. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Schlacht um die Eisenbahn isoliert bleibt“, sagte er.

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BILD: SN/AP
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