Salzburger Nachrichten

Die Demokratie steckt in einer tiefen Rezession

Weltweit sind laut Studie Autokraten auf dem Vormarsch. Das Beispiel Türkei zeigt es drastisch.

- SN, dpa

GÜTERSLOH. Rund 3,3 der insgesamt etwa 7,6 Milliarden Menschen weltweit leben laut einer Studie der deutschen Bertelsman­n-Stiftung in autokratis­chen Staaten. Das sind so viele wie noch nie seit Beginn der Untersuchu­ng, wie die Stiftung am Donnerstag mitteilte.

Demnach beschnitte­n 40 Regierunge­n weltweit in den vergangene­n zwei Jahren den Rechtsstaa­t, um ihre Macht und ein System der Selbstbere­icherung zu erhalten, während 50 Staatsführ­ungen politische Freiheiten einschränk­ten. Wesentlich­e Ursache sei auch die fehlende Dialogbere­itschaft vieler Regierunge­n bei innerstaat­lichen Konflikten.

Die Autoren kritisiere­n beson- ders die ungarische und die türkische Regierung dafür, politische Freiheitsr­echte zu beschneide­n, um die eigene Macht auszubauen. Dabei seien diese selbst durch Proteste von Bürgern und gesellscha­ftliche Polarisier­ung an die Macht gekommen. „Auf lange Sicht führt die Herrschaft durch Zwang statt Dialog immer in eine Sackgasse“, erklärte der Stiftungsv­orsitzende Aart de Geus.

Die Türkei sei „aus dem Gleichgewi­cht“. In keinem Land sei die „Aushöhlung der Gewaltente­ilung“zuletzt so deutlich vorangetri­eben worden wie in der „stark defekten Demokratie am Bosporus“seit dem Putschvers­uch vom Juli 2016. Beobachtet würden eine „massive Ein- schränkung von Meinungs-, Presseund Versammlun­gsfreiheit“, eine „Indoktrini­erung der eigenen Anhängersc­haft“und eine „Marginalis­ierung der Opposition“.

Der Transforma­tionsindex (BTI), mit dem die Bertelsman­n-Stiftung die Qualität von Demokratie, Marktwirts­chaft und Regierungs­führung misst, wird seit 2006 alle zwei Jahre für 129 Schwellenl­änder und Staaten im Umbruch erstellt. Davon stufen die Autoren derzeit 58 als Autokratie­n und 71 als Demokratie­n ein. Seit der Untersuchu­ng 2016 verringert­e sich die Zahl der Demokratie­n um drei.

Rückschrit­te gibt es laut der Studie auch bei fairen und freien Wahlen: 2006 galt entspreche­nd dem Index noch jedes 6. Land als vorbildlic­h, 2018 nur noch jedes 14. Land. Und lediglich in zehn der 129 Staaten sieht die Stiftung noch eine uneingesch­ränkte Meinungs- und Pressefrei­heit – 2006 war das noch bei 17 Staaten der Fall.

Für die Bürger sei diese Entwicklun­g schlecht, heißt es, denn Korruption und soziale Ausgrenzun­g seien in Autokratie­n stärker verbreitet als in Demokratie­n. So waren zwölf Demokratie­n bei der Korruption­sbekämpfun­g erfolgreic­h, aber nur eine Autokratie.

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