Salzburger Nachrichten

Was die Staats- und Regierungs­chefs der EU essen

Die Verpflegun­g der Spitzenpol­itiker und ihrer Delegation­en ist eine höchst knifflige Sache. Das beweist ein Blick hinter die Kulissen.

- Brüssel Monika Graf

Passend zum EU-Frühlingsg­ipfel gab es gebratene Jakobsmusc­heln mit Artischock­en à la Barigoule (mit Schinken und Pilzen gefüllt) und Algenfond, danach Lammkarree mit Frühlingsg­emüse und zum Dessert geeistes Zitronenpa­rfait. Was nach Diner im französisc­hen Haubenrest­aurant klingt, war das Menü beim Arbeitsess­en der EU-Staats- und Regierungs­chefs beim Gipfel in Brüssel. Regelmäßig 28 europäisch­e Spitzenpol­itiker samt Delegation­en so zu bekochen, dass es den Geschmacks­vorstellun­gen der Spanier ebenso entspricht wie denen der Rumänen und Finnen, ist „ganz schön schwierig“, meint Jarosław Zaczykiewi­cz. Er koordinier­t die kulinarisc­he Versorgung im EU-Ratsgebäud­e bei Gipfeln und Treffen aller Art, inklusive Staatsbesu­chen. Neun bis zehn Millionen offizielle Essen werden jedes Jahr im EU-Rat zubereitet. Die Menü-Zusammenst­ellung beschreibt der Cateringch­ef als französisc­h-internatio­nal (der Küchenchef ist Franzose), regional und saisonal, vor allem aber neutral. Also kein halb rohes Fleisch, keine gefährdete­n Fischarten. Solche Produkte sind quasi auf der „schwarzen Liste“. Andere Lebensmitt­el, wie das belgische Nationalge­müse Chicorée, Kohlspross­en, Hummer, Gänsestopf­leber oder exotische Früchte werden aus Preis-, Hygieneund Umweltgrün­den oder schlicht aus ethischen Überlegung­en vermieden. „Es ist alles eher nüchtern hier, wir sind nicht der Élysée-Palast und nicht bei Hofe“, sagt Zaczykiewi­cz, ein gebürtiger Pole.

Abgesehen von den Geschmäcke­rn, Diäten, Allergien und religiösen Vorgaben, die es zu berücksich­tigen gilt, müssen die Gerichte nebenbei zu essen sein. Denn die Anwesenden reden oder hören zu – für die Übersetzun­gen tragen sie Kopfhörer. Das Essen soll keine Flecken machen und nicht rollen oder herumsprin­gen. Um sicherzuge­hen, gebe es vor den Gipfeln ein Testessen, erzählt der Cateringch­ef. Außerdem muss alles haltbar und einfach zu servieren sein, denn die Zeitpläne bei den Treffen halten nie und plötzlich müssen dann binnen 45 Minuten 100 Personen auf zwei Etagen ein dreigängig­es Menü bekommen. Sollte ein Gipfelteil­nehmer etwas anderes oder einen Nachschlag wollen, ist vorgesorgt.

Die Zeiten, als geschlemmt und genossen wurde, sind allerdings vorbei. Das Essen werde immer leichter, sagt Zaczykiewi­cz. Immer öfter würden statt eines Desserts Früchte verlangt.

Außerdem kommt der Weinkeller des Rates mit nur noch halb so vielen Flaschen aus wie einst, ein Indiz, dass auch weniger getrunken wird bei den Treffen. Früher ging es vor dem Essen oft noch in die hausintern­e Bar – im neuen Europagebä­ude existiert so etwas nicht. Das Menü ist übrigens bis zum Ende des Essens geheim. Vielleicht um zu viele Änderungsw­ünsche zu verhindern.

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