Ungeschminkt im Wahlkampf
Unfrisiert und mit feministischen Tönen: So kämpft Sepp Schellhorn um Wählerstimmen. Joints raucht er keine, nicht einmal Zigaretten.
SALZBURG. Drei Mandate – das ist das Wahlziel von Neos-Spitzenkandidat Sepp Schellhorn für die Landtagswahl am 22. April. Schaffen will er das mit einem „ehrlichen Wahlkampf“, zu dem auch Facebook-Selfie-Videos in unfrisiertem Zustand gehören. SN: Sie wollen die Parteienförderung halbieren und Wahlkampfkosten auf einen Euro pro Wahlberechtigten beschränken. Muss Demokratie möglichst billig sein? Sepp Schellhorn: Demokratie lebt vom Diskurs, nicht vom Geld. Der Inseraten- und Schilderwahn zeigt, wie mit dem Geld umgegangen wird. Politiker sollten bei den Bürgern sein und nicht auf Plakaten auf der grünen Wiese. SN: Von Ihnen sieht man aber nicht wenige Wahlplakate auf der grünen Wiese stehen. Ja, aber ich komme mit 300.000 Euro aus. Auch wenn das der Wirtschaft guttut: Es ist schädlich, wenn man versucht, mit Geld das Land zu kaufen. SN: Apropos „das Land kaufen“: Sie versprechen ein Ende der Korruption. Wo sehen Sie Korruption? Das fängt im Kleinen an. Solange Schuldirektoren nach Parteibuch bestimmt werden, solange Abhängigkeiten im Förderwesen etwa bei den Sportverbänden bestehen, gibt es strukturelle Korruption. Und ich sehe hier nur wenig Unrechtsbewusstsein. Dagegen kann man nur mit klaren Regeln vorgehen. SN: Angeblich wollten Sie in Ihrem Lokal die FPÖ nicht zu Gast haben. Stimmt das? Nein. Bei mir war bisher noch jeder heroben – sogar Attac-Gründer Christian Felber. Ein einziges Mal musste ich aus Kapazitätsgründen ablehnen, das war beim BZÖ vor ein paar Jahren. Eine Anfrage von der FPÖ gab es nicht. Aber wir wissen ja, wie die FPÖ mit der Wahrheit umgeht. SN: Wie gut können Sie mit Marlene Svazek? Als Unternehmer und Mensch habe ich eine proeuropäische Haltung und kann mir keine Ausländerfeindlichkeit leisten. Da tue ich mir mit der FPÖ am schwersten. Mit Frau Svazek habe ich keine Berührungspunkte, gleichzeitig schätze ich FPÖStaatssekretär Hubert Fuchs wegen seiner Kompetenz. Das ist mein Demokratieverständnis. SN: Könnten Sie mit ÖVP und FPÖ eine Koalition bilden? Eine Koalition der ÖVP mit der FPÖ wird sich locker ausgehen. Die brauchen mich also nicht. SN: Wer braucht Sie dann? Die Kräfte, die Reformen wollen. SN: Das ist wer? Die ÖVP mit Wilfried Haslauer. SN: Sie wünschen sich eine Koalition ÖVP und Neos? Hier geht es nicht um meine Wünsche, sondern darum, wie Salzburg ein Vorbild wird. SN: Eine Koalition mit der FPÖ schließen Sie aus? Die FPÖ ist eine Unsicherheitspartei. Das würde ich mir nie antun. Ich möchte nicht wissen, wie sich Wilfried Haslauer fühlt, wenn ihn Bundeskanzler Sebastian Kurz auffordert, eine Koalition mit der FPÖ einzugehen. SN: Was ist Ihr Wahlziel? Klubstärke, das heißt drei Abgeordnete. Umfragen zufolge liegen wir bei sieben Prozent. Das reicht zwar nicht für drei Abgeordnete, aber eine Stimme für uns ist keine verlorene Stimme. SN: Sie wollen nur im Fall einer Regierungsbeteiligung nach Salzburg kommen und ansonsten im Nationalrat bleiben. Wegen des Geldes? Nein. Ich bin Unternehmer und finanziell nicht von der Politik abhängig. Aber: Als Nationalrat kann ich für touristische Belange der westlichen Bundesländer mehr bewegen als aus dem Landtag. Ich glaube, diese Ehrlichkeit ist den Bürgern zumutbar. SN: Für welches Ressort sind Sie kompetent? Wirtschaft, Tourismus und Landwirtschaft müsste politisch in einer Hand liegen. Dafür bin ich kompetent. SN: In einem Ihrer Facebook-Videos wirken Sie unfrisiert und etwas … … derangiert, meinen Sie? SN: Ja. Warum tun Sie das? Das ist die ungeschminkte Wahrheit. Politische Gegner unterstellen mir, ich hätte was getrunken. Nein, ich bin nur aufgestanden. So sieht man aus in der Früh. Warum muss ich mich verstellen? SN: Ein anderes Video haben Sie fahrend am Steuer Ihres Autos aufgenommen, was natürlich verboten ist. Das Handy habe nicht ich gehalten, sondern meine Mitarbeiterin auf dem Beifahrersitz. SN: Kommt noch mehr davon? Ja, das wird es jetzt täglich geben. Immer fünf Minuten nach dem Aufstehen. Das kann auch einmal aus dem Badezimmer sein. Das gefällt nicht jedem. Zum Beispiel hat mir Matthias Strolz gesagt, dass es seiner Schwiegermutter nicht gefällt. Aber es ist Teil eines ehrlichen Wahlkampfes. SN: Wie viele besorgte Eltern haben sich nach Ihrer Cannabis-Beichte bei Ihnen gemeldet?
Gar keine. Mir geht es darum, das zu entkriminalisieren. Glauben Sie, jene Dealer, die Cannabis an die Jugendlichen verkaufen, haben nicht auch andere, härtere Drogen im Angebot? Durch eine Legalisierung hätten wir mehr Kontrolle. Und: Schauen Sie sich Jugendorganisationen oder Lokale am Rudolfskai an. Da geht es ums Wettsaufen. Ich würde diese Diskussion gern ehrlich führen.
SN: Rauchen Sie jetzt auch noch manchmal einen Joint?
Nein. Und seit dem 4. Jänner nicht einmal noch Zigaretten. Meine Lokale sind rauchfrei.
SN: Sie sind für Kinderbetreuung an sieben Tagen die Woche. Warum?
Wenn ich gegen die Altersarmut von Frauen vorgehen will, muss ich solche Angebote schaffen – als Angebot, nicht als Zwang. Herdpremien, wie es sie in manchen Gemeinden gibt, treiben Frauen in die Altersarmut.
SN: Sind Sie ein Feminist?
Wenn es darum geht, Frauen die gleichen Chancen zu geben und nicht zu benachteiligen, ja. Da bin ich gern ein Feminist.
SN: Sie sind für flächendeckende medizinische Versorgung und sagen, das Krankenhaus Mittersill brauchen wir vielleicht nicht. Wie passt das zusammen?
Ich möchte diese Fragen stellen dürfen: Wie viel kostet das Krankenhaus Mittersill, wofür ist es gut und was könnte ich für dieses Geld an flächendeckender Allgemeinmedizin bieten. Und wenn ich sage „vielleicht“, ist das keine Krankenhaus-Schließung. SN: Wie wollen Sie die Verkehrsmisere beenden? Uns fehlen Analysen der sternförmigen Pendlerströme in die Landeshauptstadt. Wenn wir die endlich haben, müssen wir nichts neu erfinden, sondern die Regionalstadtbahn aufstellen. Auf eine Stunde Autofahrt kommen in Salzburg 18 Minuten Stau. In der Zeit rühre ich Ihnen ein Risotto.