Billiges Spiel mit teurer „kalter Progression“
„Der erste Schritt ist die Abschaffung der kalten Progression.“So stand es groß im ÖVPWahlprogramm, so tönte Sebastian Kurz im Wahlkampf bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
Aus dem ersten Schritt ist nun der letzte Schritt vor den nächsten Wahlen geworden – im besten Fall. Zum Ende der Legislaturperiode werde man sich die Abschaffung der kalten Progression „noch einmal anschauen“, heißt es jetzt. Der Kanzler kann sich nicht wie beim Raucherthema winden und erklären, dass man in einer Koalition eben Kompromisse machen müsse. Denn auch das FPÖ-Wahlprogramm war glasklar für die Abschaffung.
Nach der Wahl ist eben nicht vor der Wahl – oder gerade doch: Kommt die Abschaffung der automatischen Steuererhöhung nämlich erst kurz vor den nächsten Wahlen, wäre das ein doppelter Coup. Man kann die Wähler – zumindest die vergesslichen – mit dem Schmäh von gestern (bzw. von vor fünf Jahren) noch einmal fangen. Dies kann helfen, die Wahl zu gewinnen. Gewinnt man nicht, zahlt das Wahlzuckerl die nächste Regierung, die null Spielraum für politisch gut vermarktbare Steuerreformen hat.
Dass aus der Abschaffung der kalten Progression längst die eiskalte Prolongation geworden ist, ist aus Sicht der Regierung sogar nachvollziehbar. Die kalte Progression ist die einzige Steuererhöhung, gegen die es im Anlassfall keinen Widerstand gibt, weil sie sich heimlich auf dem Lohnzettel einschleicht. Und nur sie ermöglicht es der Politik, den Bürgern mit oft zu selbstgefälliger Gönnergeste Steuerreformen zu schenken. Die großen Steuerentlastungen waren de facto fast immer nur eine Rückführung der kalten Progression. Auch der Familienbonus ist auf diese Art bereits ausfinanziert.
Jedenfalls bis zum Ende der Legislaturperiode – vielleicht auch länger – bleibt die Abschaffung dieser schleichenden Steuererhöhung nun die Karotte vor der Nase der Wähler, die brav den Steuerkarren ziehen. Und denen dabei oft gar nicht bewusst ist, dass sie sich sämtliche als Jahrhundertentlastung verkauften Steuerzuckerl immer brav selbst bezahlt haben.