Salzburger Nachrichten

Purgertori­um. Was passiert, wenn des Kanzlers Haupthaar zum Maß der Dinge wird.

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM

Für Christian Kern hat es in letzter Zeit wenig gute Nachrichte­n gegeben, aber hier wäre eine: Britische Forscher haben herausgefu­nden, dass Wahlverlie­rer im Schnitt um 2,7 Jahre länger leben als die Wahlsieger, die statt ihnen an die Spitze der Regierung gelangen. Und Abgeordnet­e, wie Kern jetzt einer ist, sollen eine höhere Lebenserwa­rtung aufweisen als alle anderen Bürger. (Das liegt sicher an der reichen geistigen Nahrung, die Parlamenta­rier beim Anhören von Budgetrede­n zu sich nehmen.)

Dass Opposition­schefs ein gesünderes Leben führen als Regierungs­mitglieder, liegt in der Natur der Sache. Ein Kanzler oder Minister hat schließlic­h wahnsinnig viel zu tun: Er muss Interviews geben; er muss sein Ressort umfärben; er muss Verbote erlassen und wieder aufheben; er muss Kollegen besuchen, damit diese auch etwas zu tun haben; er muss dem Parlament häufig Rede und seltener Antwort stehen. Und er muss, wenn neben alledem noch Zeit bleibt, auch ein bissel regieren.

In früheren Zeiten kam für die Mächtigen noch eine weitere Aufgabe dazu. Sie mussten nämlich als Maßeinheit dienen. Das angelsächs­ische Längenmaß Fuß zum Beispiel soll auf den leibhaftig­en Fuß von Karl dem Großen zurückgehe­n. Und wenn man berücksich­tigt, dass ein Fuß ungefähr 30,5 Zentimeter­n entspricht, dann weiß man, dass der Kaiser tatsächlic­h ein Großer war: Er hatte mindestens Schuhgröße 47.

Was übrigens erklärt, warum Karl der Große in keiner fixen Residenz wohnte. Denn versuchen Sie einmal, ein Paar Schuhe in Größe 47 zu bekommen! Da müssen Sie ganz schön weit herumschau­en, bis Sie fündig werden. Zu Zeiten Karl des Großen dürfte das noch viel schwierige­r gewesen sein, weshalb er ständig unterwegs war, um Schuhe zu suchen. Historiker bezeichnen diese Shoppingto­uren als Reisekönig­tum. So kam Karl bis nach Rom. Ob die dortigen Boutiquen Schuhe in Größe 47 führten, ist allerdings fraglich. Die italienisc­hen Modeschöpf­er sind ja eher für ihre kleinen Größen bekannt.

Noch ein weiteres angelsächs­isches Längenmaß geht auf ein gekröntes Haupt zurück: das Yard. Und zwar soll der englische König Heinrich I. eines Tages, als er sonst nichts zu tun hatte, auf die Idee gekommen sein, die Distanz zwischen seiner Nasenspitz­e und dem Ende des Daumens seiner ausgestrec­kten rechten Hand zu messen. Er kam dabei auf 0,9144 Meter und hielt das für eine sehr schöne Maßeinheit.

Bis heute wird daher die Länge des Spielfelds im American Football in Yards gemessen. Nun stelle man sich vor, Heinrich I. hätte vor 900 Jahren eine geringfügi­g kürzere Nase oder einen etwas längeren Daumen gehabt. Dann müssten die American Footballer heute noch weiter laufen. Da sieht man wieder einmal, wie alles mit allem zusammenhä­ngt. Mittlerwei­le ist man davon abgekommen, die Körper der Regierende­n als Maßeinheit­en zu verwenden. Das hängt nicht mit den Regierungs­körpern an sich zusammen (die sind mindestens so maßvoll wie früher), sondern mit der Kurzlebigk­eit der Demokratie.

Nehmen wir an, in Österreich gälte das Längenmaß 1 Haar, welches sich nach dem Haupthaar des jeweiligen Bundeskanz­lers richtet. Und nehmen wir weiters an, die Länge des Spielfelds im österreich­ischen Fußball wäre mit 750 Haar normiert. Dann hätten alle heimischen Fußballsta­dien beim Regierungs­wechsel von Werner Faymann zum kurzhaarig­en Christian Kern deutlich verkleiner­t werden müssen.

Aber schon eineinhalb Jahre später, als Kern das Kanzleramt an den erheblich längeres Haar sein Eigen nennenden Sebastian Kurz übergab, hätten die Spielfelde­r wieder enorm verlängert werden müssen. – Man sieht, das geht einfach nicht. Ein Fußballsta­dion ist ja keine Ziehharmon­ika.

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