Boltons erster Krieg im Norden Syriens?
Nachdem die türkische Armee Afrin erobert hat, will sie nach Osten vorstoßen. Dort aber befinden sich US-Soldaten.
Der Endkampf um die um 80 Prozent geschrumpfte Rebellenhochburg Ost-Ghouta bei Damaskus ist an Brutalität kaum noch zu überbieten. Nachdem bei wahllosen Granatenangriffen islamistischer Aufständischer auf das Stadtgebiet von Damaskus in den letzten 48 Stunden fast 50 Zivilisten ums Leben kamen, sollen beim Abwurf von Napalmbomben durch die russische Luftwaffe in der Ortschaft Arbin 37 Zivilisten verbrannt sein.
Die mit den Aufständischen verbündete Rettungsorganisation Weißhelme sprach von einem „entsetzlichen Massaker“und veröffentlichte in den sozialen Medien die Fotos verbrannter Kinderleichen, deren Authentizität noch nicht bestätigt werden konnte.
Gleichzeitig begann der Abzug von Rebellen aus Ost-Ghouta. Bereits am Mittwoch hatte die von Saudi-Arabien finanzierte Dschihadistengruppe Ahrar al Scham gegen freies Geleit in die Rebellenprovinz Idlib den Kampf beendet. Nun handelten auch die Milizionäre der Gruppe Failak al Rahman einen Waffenstillstand aus. Der Abzug der zweitgrößten Rebellengruppe soll am Wochenende beginnen. Nur die ebenfalls von Riad gestützte „Armee des Islam“will – in völlig aussichtsloser Lage – in ihrer Hochburg Douma weiterkämpfen.
Mehr als 6000 Einwohnern dieser nun letzten Aufständischenbastion vor den Toren der syrischen Hauptstadt war am Donnerstag die Flucht in Stadtviertel gelungen, die von der Assad-Armee beherrscht werden.
Die türkische Armee gab indessen bekannt, mit der vollständigen Eroberung der Region Afrin ihre am 20. Jänner begonnene „Operation Olivenzweig“abgeschlossen zu haben. Beobachter fürchten, dass aus Ost-Ghouta evakuierte Rebellen in den von Kurden gesäuberten Gebieten ein neues Zuhause finden könnten. Eine Rückkehr der aus Afrin nach Aleppo geflüchteten Zivilisten ist jedenfalls nicht in Sicht.
Erklärtes Ziel der türkischen Regierung ist es, sämtliche „Terroristen“südlich der knapp 500 Kilometer langen Grenze zu Syrien zu vertreiben. Dass mit den Kämpfern der Kurdischen Volksverteidigungseinheiten auch die kurdischen Zivilisten, die dort seit Jahrhunderten leben, gehen sollen, wird nicht ausdrücklich gesagt, aber beabsichtigt. Möglich ist ein Vorstoß der türkischen Armee nach Osten freilich nur, wenn das US-Militär seine Stellungen in der Region Manbidsch räumt, wozu Washington nicht bereit ist. Würde man die strategisch bedeutende Großstadt den Türken überlassen, wäre es vermutlich nur noch eine Frage der Zeit, bis der sogenannte „Islamische Staat“eine Auferstehung am Euphrat feiern würde. Die fast dreijährigen Anstrengungen der YPG und ihrer westlichen Verbündeten im Kampf gegen die Terrormiliz wären dann hinfällig, Milliarden von Dollar buchstäblich in den Wüstensand gesetzt worden. Dass sich Ankara dieser Logik nicht anschließen will, ist bekannt. Trotz ihrer Verdienste im Kampf gegen den Terror hätten die aus 12.000 Kilometer Entfernung gekommenen US-Truppen kein Recht, in Manbidsch und anderen Regionen Nord-Syriens zu stehen, betont der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan.
Sie müssten weichen, notfalls mit Gewalt. Der neue US-Sicherheitsberater John Bolton könnte vor einer äußerst heiklen Aufgabe stehen. Wie wird der Hardliner seinen Präsidenten instruieren, wenn, wie bereits geschehen, US-Stellungen in Nord-Syrien von der türkischen Armee beschossen werden? Und dabei amerikanische Soldaten ums Leben kommen sollten?