1941 Katholiken leisten Widerstand
Drei Beispiele: Ein Erzbischof wettert gegen den „Räuberstaat“, eine Nonne protestiert, ein Pfarrer verrät eine Razzia.
An einem Donnerstagmorgen klopft es an der Tür zur Prälatur im ersten Stock von Stift St. Peter. Als die forsche Schwester Manfreda öffnet, fragen Gestapo-Männer nach dem Erzbischof. Die Kreuzschwester erwidert, Seine Exzellenz sei gestorben. Da bezichtigen sie die Schergen eines dummen Witzes. Soeben hat Sigismund Waitz die Frühmesse gelesen! Also führt sie Schwester Manfreda an diesem 30. Oktober 1941 herein: Der Erzbischof liegt tot auf dem Sofa.
Wäre der 78-Jährige verhaftet worden, hätte nicht ein bereits schwelendes, ärztlich attestiertes Herzleiden sein Leben beendet? Das wisse man nicht, erwidert Prälat Johannes Neuhardt, der diese Episode erzählt. Abwegig sei die Vermutung nicht. Vier Tage zuvor, am Christkönigssonntag, hatte Sigismund Waitz in seiner Predigt im Salzburger Dom vor Vertretern von Wehrmacht und Gestapo den heiligen Augustinus zitiert: Ein Staat ohne Recht sei ein Räuber!
Waitz sei der letzte Große gewesen, der mit den Nazis ins Gericht gegangen sei, sagt Neuhardt. 1941 seien die Nationalsozialisten noch im Vormarsch gewesen, „das war noch vor Stalingrad, da hat Mut dazugehört“.
Solcher Mut war auch nach den drastischen Repressalien nötig. Viele Priester und Ordensleute wurden verfolgt, verhaftet oder des Gaus verwiesen. 1938 wurde das Franziskanerkloster aufgelöst, die Gestapo zog dort ein. 1939 mussten die Kapuziner weg. Der Erzbischof wurde 1939 aus dem Palais am Kapitelplatz vertrieben, dort zog die SS ein. Sigismund Waitz, übrigens wegen seines „I bin eier Bischof“im Südtiroler Idiom in Salzburg auch „Eier-Bischof“genannt, wohnte erst im Priesterseminar, dann in St. Peter.
Alle Frauenklöster bis auf den Nonnberg waren aufgelassen. „Im Loretto-Kloster war die Feldpost!“, schildert Johannes Neuhardt. Nur die Barmherzigen Schwestern seien belassen worden, sonst wäre der Betrieb in den Spitälern zusammengebrochen. Jene Klosterfrauen, die nicht zu ihren Familien oder sonst wohin konnten, wurden auf dem Nonnberg einquartiert. „Über 200 Nonnen waren da oben! Sogar im großen Sprechzimmer sind sie Bett an Bett gelegen.“
Bloß Messelesen in den Kirchen war noch möglich. 1941 wurde das Priesterseminar aufgelöst, ebenfalls 1941 wurde das Vermögen von Stift St. Peter – wie jenes von Michaelbeuern – beschlagnahmt, sodass Sigismund Waitz in der Prälatur als Mieter des Reichsgaus wohnte. Als er gestorben war, kamen die Kardinäle Theodor Innitzer aus Wien und Michael Faulhaber aus München, um im Dom das Requiem zu halten. „Auch da war ich dabei – als Ministrant“, erzählt Neuhardt, damals elf Jahre alt. Da aber alle kirchlichen Gebäude konfisziert gewesen seien, „haben beide Kardinäle im Hotel Bristol gewohnt“. Eine weitere Mutige war Anna Bertha Königsegg. Die Barmherzige Schwester wurde 1941 verhaftet, da sie in Briefen an Gauleiter Friedrich Rainer protestiert hatte, dass die von Nonnen in Schernberg in Schwarzach im Pongau betreuten geistig Behinderten in der Aktion „T4“zwangssterilisiert oder abtransportiert wurden, um ermordet zu werden. Obwohl ihr KZ-Haft angedroht wurde, weigerte Anna Bertha Königsegg sich, aus der Kongregation auszutreten. Die KZ-Drohung wurde nicht wahr, doch nach zweimaliger Haft – eine davon fast vier Monate – wurde sie im August 1941 des Reichsgaus verwiesen.
Sie sei zu Hausarrest auf dem Gut ihres Bruders in Württemberg verurteilt worden, heißt es auf der Website der Barmherzigen Schwestern. Schon im Sommer 1945 sei sie wieder in das von Bomben schwer beschädigte Salzburger Provinzhaus zurückgekehrt. Ebenso unerschrocken war Franz Zeiss, Pfarrer von St. Andrä. Er wurde im Juli 1941 vom „Obersten SS- und Polizeigericht München“zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Diese Strafe sei allerdings durch die 16monatige Untersuchungshaft verbüßt gewesen, schildert der Historiker Gert Kerschbaumer 2015 anlässlich der Verlegung der „Stolpersteine“für Franz Zeiss sowie für dessen Kooperator Franz Wesenauer.
Über die Pfarre St. Andrä war eine von Gauleiter Rainer am 11. März 1940 angeordnete unangemeldete Durchsuchung von Pfarrämtern im Wehrkreis XVIII verpfiffen worden, sodass viele Pfarrer gewarnt werden konnten. Der Polizeiwachtmeister Max Klimitsch und dessen Ehefrau Angela Klimitsch hatten die Razziapläne an Pfarrer Zeiss verraten, der sogleich Boten in die Pfarren schickte. Alle drei wurden deswegen verhaftet und 1941 verurteilt. Max Klimitsch war bis April 1944 im KZ Dachau und starb – wie Gert Kerschbaumer eruiert hat – im September 1944 in einer Strafeinheit der SS.
Überhaupt war die Pfarre St. Andrä ein Zentrum des Widerstands. Zeiss und Wesenauer gaben Jugendlichen den in Schulen seit 1941 verbotenen Religionsunterricht. Beide, unterstützt von Zeiss’ Schwester, halfen Verfolgten und Juden zu falschen Ariernachweisen, Verstecken oder Flucht. Sie kümmerten sich um Unterbringung bedürftiger Gymnasiasten, da das Borromäum als Internat seit 1938 aufgelöst war. Dank deren Hilfe konnten etwa Franz Calliari, später Direktor des Borromäums und Pfarrer in Seeham, die Matura machen, ebenso Egon Katinsky, später Pfarrer in Taxham und Vigaun. „Ohne Wesenauer hätte ich keine Chance gehabt“, versichert Egon Katinsky, der in seiner Schulzeit kostenlos bei der Familie der Bäckerei Schmidhuber in Anthering wohnen durfte. Er erinnert sich auch an „Jussi“, einen jüdischen Buben, dessen Eltern verschwunden waren: Sogar den hätten die mutigen Antheringer Bäcker – auf Vermittlung Wesenauers und neben der Verköstigung mehrerer Gymnasiasten – bei sich aufgenommen.