Auf dem Berg ist nicht für alle Platz
Das renommierte Fraunhofer-Institut in Stuttgart hat untersucht, wie der Alpentourismus im Jahr 2030 aussehen wird. Die größten Herausforderungen sind demnach die Erhaltung der Natur trotz Massenansturms und die Mitarbeitersuche.
Viele Regionen in den österreichischen Alpen sind wirtschaftlich vom Tourismus abhängig. Er verschafft ihnen einen Wohlstand, den es in Bergregionen ohne Fremdenverkehr in diesem Ausmaß nicht gibt. Aber wird das auch in Zukunft noch so sein und was muss man dafür tun?
Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart hat sich zwei Jahre lang mit diesem Thema beschäftigt. Zahlreiche Wissenschafter aus verschiedenen Fachbereichen wirkten mit und befragten auch Hoteliers, Mitarbeiter und Gäste. Das Ergebnis ist das Buch „Der Alpentourismus der Zukunft“. Vanessa Borkmann, gelernte Architektin und eine der Autorinnen, hat die Studie diese Woche in Lofer beim OberbankTourismus-Brunch vorgestellt.
Das zentrale Motiv für eine Reise sei und bleibe die Natur, sagte Borkmann. „Ihr Schutz ist entscheidend. Aber sie ist gefährdet, wenn immer mehr Leute kommen und immer mehr gebaut wird.“Die Bauwerke einer Region spielen für die Architektin eine wichtige Rolle im Tourismus. „Sie sind das Erste, was der Gast im Internet oder bei der Anreise sieht. Er sieht, ob es wo schön ist oder ob es viele Bausünden gibt. Man braucht eine Architektur, die nahtlos in die Alpenwelt eingebettet ist. Sie kann auch modern sein, aber es muss eine Gesamtstrategie zu bemerken sein.“
Neben Bausünden bedroht auch der Massentourismus die Natur. Das trifft vor allem auf den Winter zu, wo man teilweise schon jetzt an der Grenze des Verträglichen angelangt ist. „Durch die Klimaerwärmung wird die Schneegrenze weiter steigen und die Skigebiete werden weniger. Und jene, die übrig bleiben, werden noch stärker nachgefragt.“Borkmanns Lösungsvorschlag könnte für Aufregung sorgen, weil er für Österreich Neuland ist. „Man kann in Zukunft nicht mehr jeden auf den Berg lassen und muss den Zustrom steuern. Am sinnvollsten wäre, wenn man das über den Preis macht und sich jene Zielgruppe nimmt, die am meisten Kaufkraft hat. Dadurch hat man weniger Betrieb und es ist für die Natur verkraftbar.“
Obwohl derzeit mehr Touristen aus Asien in die Alpen reisten, werde auch in Zukunft die überwiegende Mehrheit der Gäste aus Westeuropa kommen. Und hier vor allem die Gruppe der über 50-Jährigen, die Sport, Natur und Authentizität schätzt, so die Studie. „Der Wettbewerb um diese Gäste wird stärker“, sagt Borkmann. „Und er besteht nicht zum Nachbarhotel oder zum nächsten Tal, sondern zu Mallorca, Bangkok und den Kreuzfahrtschiffen. Der deutsche Gast kann diese Destinationen mit dem Flugzeug zum Teil genauso schnell erreichen wie die Alpen mit dem Auto, und der Preis ist gleich. Die Anreise in die Alpen muss unkompliziert sein. Auch weil die Aufenthaltsdauer immer kürzer wird, und man dafür mehrmals im Jahr Urlaub macht.“
Wie kann man sich in diesem Wettbewerb durchsetzen? „Mit herausragender Qualität“, sagt Borkmann. „Nur die besten Destinationen werden sich durchsetzen. Man muss sich abgrenzen und in einem Bereich der Beste sein. Man braucht eine klare Positionierung. Und das geht nur, wenn die ganze Region an einem Strang zieht. Sonst geht man in den Weiten des Internets unter.“
Vor allem im Sommer müsse man mehr erlebnisorientierte Angebote schaffen, und diese auch dementsprechend vermarkten. „Denn die Natur allein reicht nicht. Die Gäste sind auch erlebnishungrig. Sie wollen aus ihrem routinierten Alltag ausbrechen, wieder zu sich selbst finden und Energie tanken.“
Gute Mitarbeiter sind dabei für Borkmann überlebenswichtig. „Als wir 2006 am Institut begannen, über Tourismus zu forschen, haben wir uns gefragt, wie wir an die Gäste kommen. Heute ist die größte Herausforderung, wie wir an die Mitarbeiter kommen.“Gute Leute würden bei Vorstellungsgesprächen fragen: „Was können Sie mir bieten, wenn ich für Sie arbeite?“Daran müsse man sich gewöhnen, sagt Borkmann. „Die Jungen arbeiten gern, wenn sie sich mit der Arbeit identifizieren können. Aber sie leben nicht, um zu arbeiten, und wollen die Freizeit haben, um diese Natur auch zu genießen.“Die Mitarbeiter würden in Zukunft erwarten, dass man Modelle wie das JobSharing, das es in der Automobilindustrie schon gebe, auch in der Hotellerie anbiete. Dabei teilen sich Mitarbeiter Stellen und organisieren selbst, wie sie sie besetzen. „Vielleicht wollen auch ältere Personen, die nicht mehr arbeiten müssten, einige Stunden in der Woche aushelfen.“
Den Hoteliers rät Borkmann, sich eine strategische Perspektive für die Zukunft zu überlegen – auch wenn sich die Alpenhotellerie nicht von heute auf morgen komplett verändern werde.
„Man muss den Zustrom steuern.“Vanessa Borkmann, Fraunhofer-Institut