Der Knackpunkt war das erste Tourneespringen
Unsere Skispringer sind seit Oberstdorf in einer Abwärtsspirale gefangen. Die ständige öffentliche Kritik hat ihr Leben nicht unbedingt erleichtert.
Ich kann mir vorstellen, dass alle Beteiligten im ÖSV-Springerteam froh sind, wenn am Wochenende in Planica die Weltcupsaison zu Ende geht. Es war eine Saison, in der niemand aus der österreichischen Mannschaft zeigen konnte, was er wirklich draufhat. Das hat viele Kritiker auf den Plan gerufen. Spätestens nach den medaillenlosen Olympischen Spielen wurde alles hinterfragt: der Trainer, das Material, die Strukturen etc ... Sprung für Sprung sind die Athleten so in eine Abwärtsspirale geraten und mit Ausnahme von Stefan Kraft auch nicht mehr herausgekommen.
Gregor Schlierenzauer ist ein Paradebeispiel dafür. Es hat mich schon sehr gewundert, dass er nach starken Leistungen zwischendurch, wie etwa beim Start der Raw-Air-Serie in Oslo und Lillehammer, plötzlich so abgestürzt ist. Auf der dritten Station in Trondheim hat er sogar die Qualifikation für den Hauptbewerb verpasst, was ihm, glaube ich, überhaupt zum ersten Mal in seiner Karriere passiert ist. Und dann das: In Planica springt er aus heiterem Himmel mit 253,5 Metern genauso weit wie Stefan Kraft bei seinem Weltrekordflug, kann den Sprung aber leider nicht stehen!
Rational ist das eigentlich nicht zu erklären. Ich weiß, dass Gregor in den vergangenen Wochen wahnsinnig viel beim Material getüftelt hat und so versucht hat, ein Wunderding zu entdecken. Aber das ist wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Er hat sich damit „verkopft“. Das Selbstverständliche ist bei Gregor völlig verloren gegangen. Im Weltcup hat er es so auf gerade einmal 76 Punkte in der ganzen Saison geschafft. Das ist extrem bitter für einen 53-fachen Weltcupsieger.
Aber was sollte er jetzt tun? Seine Karriere beenden? Ich bin der Meinung, ein Gregor Schlierenzauer kann so gar nicht aufhören. Seine sportliche Vergangenheit ist grandios, im Grunde hat er also nichts zu verlieren. Er sollte einen Strich unter diese verkorkste Saison machen, eine Zeit lang Abstand vom Skispringen bekommen und im nächsten Winter neu durchstarten. Immerhin steht in Seefeld auch eine Heim-Weltmeisterschaft auf dem Programm. Wichtig ist, dass er genauso wie der Rest aus dem ÖSV-Team Ruhe bewahrt, die Dinge nüchtern analysiert. Ich hoffe, dass man auch die richtigen Schlüsse daraus zieht. Nur Kritik zu üben und alles auf einen Sündenbock abzuladen wäre der falsche Weg.
Diese Mannschaft hätte größeres Potenzial gehabt, als sie gezeigt hat, nur war die Stabilität nicht vorhanden. Verloren gegangen ist sie meiner Meinung nach zum Tourneestart in Oberstdorf. Das war der absolute Knackpunkt. Was wäre gewesen, wenn Stefan Kraft als Halbzeitführender nicht vom Wind verweht und Vierter geworden wäre? Die Saison wäre vermutlich ganz anders gelaufen.