Salzburger Nachrichten

Coffee to go – no!

- Othmar Behr

ICHgehöre auch zu den Leuten, die sich dabei ertappen, mit einem heißen Becher auf die Straße zu eilen. Zu jenen Geschöpfen, die das Gefühl kennen, wie es ist, wenn frisch gebrühter Kaffee über die Finger schwappt. Es gäbe Deckel. Aus einer Art Schnabelta­sse trinken? Das wäre uncool. Coffee to go hat cool zu sein.

Coffee to go. Niemand weiß, wer das erfunden hat. Eines Tages war das Angebot da, und auch ich nehme es an. Davon hält mich selbst die Debatte nicht ab, wie schädlich die Masse der mit Kunststoff beschichte­ten Kaffeebech­er für die Umwelt ist.

Diese Debatten! Würde mich jede öffentlich geführte Erörterung über Schädliche­s für die Umwelt vom Gebrauch des Angeprange­rten abhalten – ich dürfte nicht einmal wie gewohnt meine Zähne putzen. Es soll Menschen geben, die frühmorgen­s an irgendwelc­hen Zweigen knabbern. Sie flüchten vor den Schadstoff­en, die Studien zufolge in handelsübl­ichen Zahnpasten lauern.

Der Feldzug gegen Becher für Kaffee zum Gehen begann in Berlin. Das ist jene Stadt, die immer den einen Schritt voraus sein will. Dort wurde zunächst errechnet, wie viele Becher pro Stunde auf dem Prenzlauer Berg in Umlauf gebracht werden. Dann auf dem Ku’damm und in der ganzen Stadt.

Die Leute ließen ihre Computer arbeiten. Die Becher, die pro Tag, pro Woche, pro Jahr, in Berlin, in Deutschlan­d, auf der ganzen Welt hergestell­t, verteilt, gefüllt, leergetrun­ken und weggeworfe­n werden, erreichen gestapelt die Höhe des Mount Everest. Oder reicht der Stapel bis zum Mond?

Ich weiß es nicht mehr. Da wären wir wieder bei den Debatten. Es gibt so viele Studien, so viele Warnungen, Befürchtun­gen und so viele erhobene Zeigefinge­r. Die Verschwend­ungen! Die zur Neige gehenden Ressourcen! Ich will doch nur einen schnellen Kaffee.

Wieder einmal schaue ich zu, wie mein Cappuccino in den Becher rinnt. Wieder einmal fallen mir die Worte der Chefin des einstigen Ristorante Camino in Salzburg ein. „Einen Coffee to go werden Sie bei mir nie bekommen. No!“Es folgte ein Gespräch über die Kultur des Kaffeetrin­kens, über sich Zeit nehmen, über Wechselwir­kungen von Gefäß und Geschmack. Warum fällt es mir wieder einmal zu spät ein?

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