Salzburger Nachrichten

Wirtschaft­swachstum ist eine schlechte Nachricht

Erstmals seit drei Jahren steigt der Ausstoß von Treibhausg­asen wieder. Doch es gibt auch Licht im Kohlendunk­el.

- Martin Stricker MARTIN.STRICKER@SN.AT

Der im letzten Moment abgesagte Handelskri­eg zwischen der Europäisch­en Union und den USA hätte vielleicht eine kleine Atempause gebracht. Nichts hilft der Atmosphäre des Planeten, auf dem wir leben, mehr als eine gepflegte Rezession. In den Jahren der Finanzkris­e nach 2008 sanken auch die Emissionen. In der Folge gelang es, sie nach der wirtschaft­lichen Erholung auf dem Niveau von 2014 zu stabilisie­ren. Doch 2017 wuchsen die Emissionen wieder, wie die Internatio­nale Energieage­ntur meldete.

Ursache war ein robustes Wachstum der Weltwirtsc­haft in Höhe von 3,7 Prozent. Weil Wachstum hungrig macht, stieg die Energienac­hfrage um 2,1 Prozent. 70 Prozent des zusätzlich­en Bedarfs wurden durch Kohle, Öl und Gas gedeckt, was auch den Ausstoß der klimaschäd­lichen Treibhausg­ase steigen ließ. Das Wirtschaft­swachstum, das Aktionäre, Vorstandsc­hefs und Finanzmini­ster jubeln lässt, bringt die Erde und ihre Bewohner, darunter Aktionäre, Vorstandsc­hefs und Finanzmini­ster, in immer größere Bedrängnis.

An diesem grundsätzl­ich selbstmörd­erischen Trend wird sich erst etwas ändern, wenn unser Wirtschaft­ssystem nicht mehr von der Verbrennun­g fossiler Energieträ­ger abhängt. Die Wende hin zu sauberen Energien ist auch in Gang gekommen. Zwei Drittel der zusätzlich­en Emissionen im Jahr 2017 entfallen auf die asiatische­n Länder. Doch immerhin war eine gewisse Entkoppelu­ng zu beobachten. Bei einem Wachstum von knapp sieben Prozent stiegen die Emissionen in China, dem weltweit größten Verschmutz­er, um nur knapp zwei Prozent.

Weltweit wurden in den vergangene­n Jahren so viele Kohlekraft­werke wie nie abgeschalt­et. Es gingen zwar noch mehr neue ans Netz, eine Wende sei aber bis 2022 absehbar, betonte ein Report von Greenpeace und anderen Umweltorga­nisationen.

Die Zeit drängt. Wenn die Erderwärmu­ng nicht vollends außer Kontrolle geraten soll, muss der völlige Ausstieg aus der Verbrennun­g von Kohle und Öl bis 2050 gelungen sein, so die drängende Mahnung der Wissenscha­ft. Es bleiben also nur noch etwas mehr als 30 Jahre. Ab dann darf kein Verbrennun­gsmotor, kein Kohlekraft­werk und keine Ölheizung mehr in Betrieb sein, wenn uns die Erde lieb ist.

Umso irrwitzige­r erscheinen vor diesem Hintergrun­d die Aussagen der Autoindust­rie, man brauche den Dieselmoto­r, um Klimaschut­zziele zu erreichen.

Wahr ist das Gegenteil. Wir müssen raus aus dem fossilen Zeitalter, und das mit vollem Tempo.

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