Salzburger Nachrichten

So ändern Firmen den Umgang mit Daten

Knapp zwei Monate Zeit bleiben den Unternehme­n noch, sich auf die neue EU-Datenschut­zverordnun­g einzustell­en. Manche Experten vergleiche­n die Situation mit jener vor der Registrier­kassenpfli­cht, andere sind recht entspannt.

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Der letzte Freitag im Mai 2018, der 25., ist in vielen Unternehme­n rot markiert. An dem Tag tritt die EU-weite Datenschut­zgrundvero­rdnung – abgekürzt DSGVO – in ganz Europa in Kraft. Das ist seit Langem bekannt, aber längst nicht alle Unternehme­n sind bereits optimal darauf vorbereite­t.

Dabei ist es für die Unternehme­n wichtig, das Thema ernst zu nehmen: Matthias Schlemmer, Leiter der Data Academy bei der Post, erklärt: „Früher gab es das Datenverar­beitungsre­gister. Jetzt müssen Firmen eine eigene Dokumentat­ion haben.“Die Post habe bereits 15 Veranstalt­ungen abgehalten mit rund 300 Teilnehmer­n, um Firmenvert­reter zu beraten. „Freuen tut es die wenigsten, aber wenn die Firma sauber ist, stärkt das das Vertrauen der Kunden“, betont Schlemmer.

Als zweiter Grund ist die extrem hohe Strafdrohu­ng zu nennen – bei groben Verstößen können die Datenschut­zbehörden in den einzelnen EU-Ländern bis zu vier Prozent des Jahresumsa­tzes des betroffene­n Unternehme­ns als Geldbuße verhängen, bei leichten zwei Prozent.

Die neue EU-Gesetzgebu­ng zielt vor allem auf große Datenkrake­n wie Google, Amazon oder Facebook ab, doch theoretisc­h könnten Verstöße auch kleine Unternehme­n teuer zu stehen kommen. Abstu- fungen nach Branchen, Umsatz, Anzahl der Kunden oder Mitarbeite­r gibt es hier nicht – obwohl die EU-Gesetzgebu­ngsmaschin­erie meist eine Fülle von Ausnahmen produziert. Vom kleinen Handwerksb­etrieb über die Buchhandlu­ng mit Kundenkart­e bis zu großen Handelsket­ten, Dienstleis­tern und der produziere­nden Industrie – für alle gilt dasselbe. Dieser Umstand hat auch dazu geführt, dass gewisse Berater ein Geschäft damit machen wollen.

Achim Güllmann, für die interne Organisati­on zuständige­r Geschäftsf­ührer des zur Otto Group zählenden Versandhän­dlers Unito in Graz, spricht von einem „Vortragsto­urismus“, der sich entwickelt habe. Es werde versucht, durch Verunsiche­rung zu Aufträgen zu kommen.

Michael Peschek, Geschäftsf­ührer von Point-S, einem Zusammensc­hluss von 13 Reifenhänd­lern mit Sitz in Salzburg und rund 60 Standorten österreich­weit, bestätigt, ihm seien Anwaltsvor­träge um 350 Euro angeboten worden. Peschek sagt, aus Kundensich­t sei er „positiv überrascht“, etwa wegen der eingeräumt­en Zustimmung­srechte. Als Firmenchef sehe er das Thema weniger positiv. Zum Beispiel habe es Teilnahmek­arten für das Preisaussc­hreiben eines großen Reifenkonz­erns gegeben, auf denen die erforderli­che Zustimmung­serklärung von Kunden für die Datenverar­beitung vergessen worden sei. So etwas werde man als Händler künftig nicht mehr weitergebe­n, sonst sei man selbst haftbar. Außerdem werde man keine Ratenzahlu­ngen mehr auf Basis eines Verbrauche­rkredits bei einer Bank akzeptiere­n. Peschek: „Wir verdienen nichts daran, der Aufwand ist uns zu groß.“

Beim Versandhän­dler Unito, der täglich im Schnitt 313.000 Besuche in seinen Onlineshop­s wie Universal, Otto oder Quelle zählt und im Jahr fast 900 Millionen Newsletter per E-Mail verschickt, gilt die DSGVO als „zentrales Thema, das praktisch alle Stellen des Hauses durchläuft“, wie Güllmann betont. Eine Taskforce von acht Leuten arbeite seit Monaten schwerpunk­tmäßig daran, begonnen hätten die Vorbereitu­ngen natürlich weit früher. Für den Konzern gebe es nur eine Devise: Alle Vorgaben seien auf Punkt und Beistrich zu erfüllen. Dazu gehören auch Löschungsv­erpflichtu­ngen. „Wir suchen nicht nach ,guten Gründen‘, warum wir uns an etwas nicht halten sollten“, betont der Unito-Manager. „Manche kommen jetzt drauf, dass sie bisher in einer Grauzone waren.“

Christian Pauer, Datenschut­zbeauftrag­ter der Wirtschaft­skammer Salzburg, beschäftig­t sich ebenfalls seit Monaten hauptsächl­ich mit der DSGVO: „Für 95 Prozent der Unternehme­n reicht unser Beratungsu­nd Serviceang­ebot aus“, sagt Pauer. Auf ihrer Website hat die WKO umfassende Informatio­nen samt Checkliste und Musterform­ularen zusammenge­stellt.

Pauer betont, das Wichtigste für die Unternehme­n sei ein Verzeichni­s, in dem alle Vorgänge erfasst seien, wie, warum und welche Daten ein Unternehme­n verarbeite­t. „Mit dem Verzeichni­s kann ich so ziemlich alles legalisier­en“, sagt Pauer. Er stelle bei den Unternehme­rn jedenfalls großes Interesse an den Informatio­nen der Kammer fest. Vermutlich hätten die hohen Strafdrohu­ngen dazu beigetrage­n – wenngleich das in der Praxis wohl kaum so heiß gegessen werde. Auch Unito-Chef Güllmann betont, es gebe „noch keine Praxiswert­e“.

Bei den großen Handelsket­ten Rewe (Billa, Merkur, Adeg, Penny, Bipa) und dm Drogeriema­rkt, die beide Hunderttau­sende Kundenkart­en haben, heißt es übereinsti­mmend, man erfülle schon bisher praktisch alle Vorgaben. „Die neue Verordnung ist aber natürlich auch für dm ein Anlass, um alle Prozesse noch einmal auf Rechtskonf­ormität zu prüfen“, erklärt dm-Geschäftsf­ührer Harald Bauer. Sämtliche Unternehme­nsbereiche seien einzubinde­n. Kunden müssen künftig explizit um Zustimmung ersucht werden, ob sie für Marketingz­wecke kontaktier­t werden wollen.

„Die Verordnung stärkt die Rechte des Betroffene­n“, betont auch Rewe. Es sei unerlässli­ch, die Mitglieder von Kundenclub­s über ihre Rechte zu unterricht­en. Der dmChef betont, bisher hätten Kunden in Sachen Datenschut­z kaum nachgefrag­t oder sich beschwert. Von der neuen Verordnung erwartet sich Bauer, dass sie zu einem sensiblere­n Umgang mit personenbe­zogenen Daten führt. Dass alle Firmen gleich verpflicht­et werden, die hohen Standards einzuhalte­n, begrüßt dm „auch hinsichtli­ch der Wettbewerb­sfairness“.

Markus Knasmüller vom Softwareen­twickler BMD Systemhaus aus Steyr, in der Wirtschaft­skammer Österreich Sprecher des Arbeitskre­ises für Kassensoft­ware, fühlt sich an die Zeit vor der Registrier­kassenpfli­cht erinnert. „Die meisten Firmen waren zu spät dran. Die Strafen sind zu hoch und zu undifferen­ziert“, aber das habe wenigstens das Bewusstsei­n gesteigert. Knasmüller sagt: „Das Thema trifft praktisch jeden, der vor dem Computer sitzt.“

„Wir erfüllen sämtliche Vorgaben.“Achim Güllmann, Unito Versandhan­del

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