Oma, was heißt denn Krieg?
Im Fernsehen und in den Zeitungen werden in diesem Jahr besonders viele Filme und Fotos in Schwarz-Weiß gezeigt. 2018 ist ein Gedenkjahr. Was ab 1938 und danach passiert ist, daran erinnern sich nur mehr wenige Menschen.
Krieg ist etwas, das weit, weit weg ist: in Syrien oder in Afrika und sonst wo auf der Welt. Die zehnjährige Franziska hat davon gehört, als zwei Kinder aus Somalia an ihre Volksschule wechselten, die mit ihren Familien vor dem Krieg aus ihrer Heimat flohen.
Aber der Krieg war auch schon vor der Haustür da. Franziskas Urgroßeltern können sich noch daran erinnern. Sie waren Kinder, als der Zweite Weltkrieg in Europa tobte. Den Krieg hatten die Nationalsozialisten angezettelt, die ab 1938 in Österreich regierten. Österreich war damals Teil des Deutschen Reiches und Adolf Hitler war der Reichskanzler. An dessen Geburtshaus in Braunau, 35 Kilometer von Franziskas Elternhaus in St. Pantaleon (OÖ) entfernt, ist die Volksschülerin schon mal vorbeigegangen.
Hitler führte Krieg, um sein Reich zu vergrößern. „Unsere Väter mussten in den Krieg ziehen“, erzählt Uropa Johann Huber (84). „An den Moment, als mein Vater sich von uns verabschiedet hat, erinnere ich mich noch. Die Mutter ist ihm weinend um den Hals gefallen, sie hat ja nicht gewusst, ob er je wieder heimkommt.“
Johann Huber war damals sechs Jahre alt, er wuchs mit acht Geschwistern auf einem Bauernhof in Ostermiething auf, alle mussten nach der
Schule daheim mitarbeiten. Mit zehn Jahren kam Johann als Knecht auf einen Nachbarhof, um etwas zu verdienen.
Auch Franziska Huber (82) stammt von einer Bauernfamilie ab. „Wir mussten im Krieg nie hungern, wir hatten unsere Tiere und einen Garten“, erzählt sie ihrer Urenkelin. „Was habt ihr zu Weihnachten bekommen?“, fragt die Zehnjährige. Der Opa erinnert sich: „Einmal gab es für jedes Kind eine Speckwurst.“
In die Schule, egal wie weit sie von daheim entfernt lag, mussten alle Kinder zu Fuß gehen – im Sommer barfuß, im Winter mit Holzschuhen. „Andere Schuhe hatten wir nicht, auch kein Fahrrad.“
War Bombenalarm, rannten alle vor den Tieffliegern davon in den Wald neben dem Hof. „Oder wir haben uns im Straßengraben versteckt“, sagt die Uroma. Abends musste im Haus alles finster sein, „damit uns die Flieger nicht sehen. Wir hatten nur Kerzen und Petroleumlampen. Strom gab es bei uns erst 1948.“
Franziska Huber besuchte die Schule in Haigermoos, die Lehrerin unterrichtete acht Jahrgänge gleichzeitig. „Als 1944 Flüchtlinge kamen, waren wir plötzlich 114 Schüler.“Der Unterricht der ersten drei Klassen wurde also auf den Nachmittag verlegt, damit alle Schüler Platz hatten.
Auch Platz zum Wohnen musste für die vielen Flüchtlingsfamilien geschaffen werden. „1944 ist mein Großvater gestorben, kurz darauf stand der Ober-Nazi des Ortes da und sagte: ,Bei euch ist ein Zimmer frei.‘ Stunden später zogen sie ein.“Dabei entstanden auch Freundschaften, die bis heute andauern. Franziska Huber zeigt ihrer Urenkelin Fotos von einer Freundin von damals. „Eine Nachbarin hatte schon einen Fotoapparat, sonst hätte ich nur meine Erinnerungen.“
100 Meter von Hubers Elternhaus entfernt in Weyer hatten die Nationalsozialisten ein Gefangenenlager errichtet, wie es viele im Deutschen Reich gab. Millionen von Juden, Minderheiten, Behinderte und Nazi-Gegner mussten in solchen Lagern gegen ihren Willen arbeiten und wurden meist zu Tode gequält. „Es war uns verboten, den Kindern etwas zu essen zu geben. Aber heimlich haben wir es trotzdem getan.“