Handel überschlägt sich beim Verbannen schädlicher Stoffe
Keimhemmungsmittel, Unkrautvernichtungsmittel und Mikroplastik. Rewe, Spar und Hofer kündigen immer öfter an, bei Nahrungsmitteln aufzuräumen.
Mikroplastik, Palmöl, Chlorpropham, Glyphosat. Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht ein Handelsriese ankündigt, was er alles in Nahrungsmitteln verbieten wird oder bereits rausgenommen hat. Als Konsument wird einem angesichts des stark umworbenen Streichkonzerts vor Augen geführt, was wir mit unserem Essen so alles in unseren Körper schleusen und was wir damit auch der Umwelt antun. Glaubten wir, in Österreich weitgehend von Mikroplastik befreit zu sein, so stimmt das aber nicht bei flüssigem Mikroplastik, das in Form synthetischer Polymere hauptverantwortlich für die dickflüssige Konsistenz vieler Kosmetika ist. Es kann anders als festes Mikroplastik noch kaum durch Alternativen ersetzt werden. Einer der bereits möglichen Ersatzstoffe steht nämlich ebenso in der Kritik: Palmöl. Die Marken ja!Natürlich von Rewe und Zurück zum Ursprung von Hofer sind bereits palmölfrei. Bei Spar wolle man bis Jahresende nicht nur in der Biomarke Spar Natur pur, sondern in allen Eigenmarken ohne Palmöl auskommen, heißt es. Spar will das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat aus den Regalen haben, Rewe arbeitet mit Global 2000 seit 15 Jahren an der Reduktion von Pestiziden. Generell sei Österreich im EU-Vergleich, was das Eliminieren von umwelt- und gesundheitsschädigenden Stoffen angehe, Vorreiter, urteilt Greenpeace.
Das Thema ist in aller Munde. Selbst das sprechende Schweinderl aus der Billa-Werbung plaudert im Radio über Palmöl, das in den ja!Natürlich-Produkten nicht mehr verwendet wird. Der Diskonter Hofer kündigte erst vergangene Woche an, bei Kartoffeln ab sofort auf Chlorpropham zu verzichten, obwohl die EU die Zulassung verlängern will. Das Keimhemmungsmittel wird nach der Ernte aufgespritzt, um ein Austreiben der Kartoffeln zu verzögern. Und Spar erklärte, bereits umgesetzt zu haben, was Schweden ab Juli plant: Mikroplastik habe man aus den Kosmetikprodukten verbannt.
Im harten Konkurrenzkampf ist es für den Handel zum Unterscheidungsmerkmal geworden, möglicherweise gesundheits-, aber auch umweltschädliche Produkte aus dem eigenen Sortiment zu verbannen, selbst wenn sie laut Gesetz erlaubt sind. Und das sei gut so, meint Greenpeace-Umweltchemiker Herwig Schuster. „Wenn einer vorprescht, setzt auch die Konkurrenz auf Verbesserungen.“Und die habe es in Österreich zuletzt durchaus gegeben, wenn auch nicht überall.
Mikroplastik
sei in Österreich aus den meisten Produkten bereits verschwunden, erklärt Schuster. Zumindest wenn es um Mikroplastik in Form von festen Partikeln geht, wie sie etwa in Zahnpasta oder Duschgels wegen des Peelingeffekts verwendet werden. Nicht nur Spar hat hier Mikroplastik aus den Kosmetikprodukten der Eigenmarke entfernt, auch Rewe – mit der Drogeriekette Bipa – setzt nur noch bei wenigen Produkten aus der dekorativen Kosmetik auf festes Mikroplastik wie etwa in Glitzer-Nagellack. Gemeinsam mit den Lieferanten würden auch hier Alternativen gesucht, betont ReweSprecher Paul Pöttschacher.
Anders sei das bei flüssigem Mikroplastik, sagt Schuster, das in Form synthetischer Polymere hauptverantwortlich sei für die dickflüssige Konsistenz vieler Kosmetika. „Anders als bei festem Mikroplastik, das durch fein gemahlenen Kalk oder Sand leicht ersetzt werden kann, gibt es für flüssiges Plastik noch kaum Alternativen.“Auch die Forschung stehe erst am Beginn. Einer der bereits möglichen Ersatzstoffe steht ebenso in der Kritik: Palmöl.
Palmöl
ist laut Schuster nicht nur aus Umweltschutzgründen bedenklich, schließlich werden für den massiv gestiegenen Verbrauch weltweit Regenwälder abgeholzt. Auch möglicherweise krebserregende Inhaltsstoffe gerieten jüngst, wie berichtet, in die Kritik. „Wobei das durch eine bessere Raffination in den Griff zu bekommen wäre“, sagt Schuster.
Eine maßvolle Verwendung von Palmöl halte selbst Greenpeace für vertretbar. Durch den vergleichsweise hohen Schmelzpunkt sei Palmöl bei manchen Produkten wie Schokolade, die im Mund und nicht schon in der Hand schmelzen soll, Glasuren, Margarine, aber auch Teigen schwer zu ersetzen. „Einen Blätterteig ohne Palmöl gibt es so gut wie gar nicht“, sagt Schuster. Alternativ verwenden könne man Butter, die würden viele Konsumenten aber ablehnen, weil sie nicht dem Trend „vegan“entspricht. Nicht nur die Rewe-Marke ja!Natürlich, auch Zurück zum Ursprung von Hofer ist palmölfrei. Bei Spar will man bis Jahresende nicht nur in der Biomarke Spar Natur pur, sondern in allen Eigenmarken ohne Palmöl auskommen, sagt Lukas Sövegjarto, Leiter für Nachhaltigkeit bei Spar.
Pestizide
waren zuletzt vor allem durch die Diskussion um das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat ein Thema. Die EU hat das weltweit am meisten verwendete Pestizid im Vorjahr für weitere fünf Jahre zugelassen. Spar kündigte daraufhin an, Glyphosat selbst aus den Regalen zu verbannen – und verlangte das in einem Schreiben von allen Lieferanten seiner Eigenmarken. „Inhaltlich ist das sicher richtig“, sagt Greenpeace-Chemiker Schuster. Die Umsetzung aber dürfte schwierig werden, weil die Landwirtschaft nicht auf einen Schlag auf Glyphosat verzichten werde. Hier müsse man gemeinsam mit der Landwirtschaft an Alternativen arbeiten, sagt Schuster.
„Eine Frist für die Umstellung auf glyphosatfrei haben wir unseren Lieferanten keine gesetzt“, betont Sövegjarto. Sofort verboten habe man den Einsatz von Glyphosat nur den Landschaftsgärtnern, die Wiesen und Parkplätze der eigenen 750 Spar-Standorte bestellen.
Bei Rewe (Billa, Merkur, Adeg, Penny) arbeitet man seit 15 Jahren gemeinsam mit Global 2000 an der Reduzierung von Pestiziden. Nicht nur angeliefertes Obst und Gemüse werde in eigenen Kontrollen überprüft, auch am Feld selbst führten Global-2000-Mitarbeiter Analysen durch, sagt Sprecher Pöttschacher. Seit 2003 seien insgesamt 15.949 Proben untersucht worden. Dazu kämen 2573 Analysen von ReweLieferanten zur Freigabe von Produkten für die Lieferung an Rewe. Details der Untersuchungen habe man bis vor Kurzem auf der Merkur-Homepage veröffentlicht, zuletzt aber mangels Kundeninteresse gestrichen.
Generell sei Österreich im EUVergleich, was das Eliminieren von Umwelt und Gesundheit schädigenden Stoffen angeht, sicher Vorreiter, urteilt Schuster. „Auch wenn etliche Blumenwiesen- und Schmetterlingsprojekte reiner Marketing-Gag sind.“In manchen Bereichen gebe es aber trotz jahrelanger Bemühungen von Umweltschützern kaum Fortschritte. „Bei Getränken in Mehrwegflaschen etwa zählt nur Convenience, nicht die Umwelt“, sagt Schuster. Auch bei Fleisch sei es angesichts preisaggressiver Schnitzelangebote kaum möglich, Verbesserungen durchzusetzen, sei es bei Antibiotika-Einsatz oder gentechnikfreier Fütterung. Das Kundeninteresse am Thema steige, das zeigten auch die Zugriffe auf Greenpeace-Tests.