Salzburger Nachrichten

Das weitergere­ichte Problem

Nach der Festnahme von Carles Puigdemont erklärt die deutsche Regierung, der Konflikt könne nur von Spanien gelöst werden. Ob er ausgeliefe­rt wird, entscheide­n allerdings Juristen.

- SN, Reuters, dpa

Eine schnelle Entscheidu­ng zeichnet sich im Fall Carles Puigdemont nicht ab. Über eine Auslieferu­ng muss das Oberlandes­gericht in Schleswig-Holstein befinden. Diese Entscheidu­ng werde wohl nicht mehr vor Ostern fallen, teilte die Staatsanwa­ltschaft am Montag mit. Im Verlauf des Tages wurde dem Amtsgerich­t in Neumünster zur Identitäts­feststellu­ng vorgeführt. Es entschied, dass Puigdemont vorerst in Gewahrsam bleibt. Offenbar will der 55-Jährige kein politische­s Asyl in Deutschlan­d beantragen. Sein Mandant habe keine solchen Pläne, sagte sein Anwalt im katalanisc­hen Radio. Allerdings wären die Chancen ohnehin nicht sehr groß, weil Spanien als EU-Staat per se als sicher gilt.

Der mit einem Europäisch­en Haftbefehl gesuchte Puigdemont war am Sonntag in Schleswig-Holstein auf der Rückreise von Finnland nach Belgien festgenomm­en worden. Er hatte im Oktober die Unabhängig­keit Katalonien­s von Spanien ausgerufen und damit gegen die Verfassung verstoßen. Darauf leitete die Justiz Ermittlung­en wegen Rebellion ein. Puigdemont floh nach Belgien ins Exil. Auch dort hatte ihm die Auslieferu­ng gedroht. Doch als die belgische Justiz eine mögliche Auslieferu­ng nach Spanien noch prüfte, zog Spanien den Europäisch­en Haftbefehl überrasche­nd zurück. Der Richter verwies zur Begründung seiner Entscheidu­ng auf eine Ankündigun­g Puigdemont­s, zu den Regionalwa­hlen am 21. Dezember aus dem ausländisc­hen Exil nach Spanien zurückkehr­en zu wollen. Das geschah aber nicht.

Am Freitag dann eröffnete der Oberste Gerichtsho­f Spaniens Strafverfa­hren gegen Puigdemont und weitere Regionalpo­litiker wegen Rebellion, Veruntreuu­ng oder Gehorsamsv­erweigerun­g. Ihnen drohen bis zu 25 Jahre Haft.

Für die finnischen Behörden kam der Haftbefehl nach eigenen Angaben zu spät – auch, weil sie zunächst offene Fragen mit den Spaniern klärten. In Dänemark gab es zu dieser Frage keine offizielle Antwort. Politiker vermuten, der spanische Geheimdien­st habe gezielt gewartet, bis Puigdemont aus Dänemark aus- und nach Deutschlan­d eingereist war, um der Polizei dann einen Hinweis zu geben. Hintergrun­d könne sein, dass das deutsche Recht dem spanischen näher sei als das dänische – und damit eine Ausweisung wahrschein­licher.

Die schleswig-holsteinis­che Polizei habe sich zur Festnahme entschiede­n, sagte ein Ministeriu­mssprecher. Wenn ein Haftbefehl vorliege, sei es Aufgabe der Polizei, denjenigen festzunehm­en und keine politische­n Erwägungen anzustelle­n. Eine Sprecherin von Deutschlan­ds Justizmini­sterin Katarina Barley verwies auf Äußerungen der Ministerin vom Sonntag, dass die Entscheidu­ng über eine Auslieferu­ng grundsätzl­ich bei den Justizbehö­rden liegt. Auf Fragen, ob es einen politische­n Ermessenss­pielraum gebe, ging die Sprecherin nicht ein. Diese Frage stelle sich nicht. Barley sagte am Sonntagabe­nd in der ARD: „Die ersten Schritte sind jetzt erst mal rein juristisch­e, und die gilt es jetzt erst mal abzuwarten.“

Regierungs­sprecher Steffen Seibert sagte, Spanien sei ein demokratis­cher Rechtsstaa­t. Es bleibe die Überzeugun­g der Bundesregi­erung, dass der Katalonien-Konflikt „innerhalb der spanischen Rechtsund Verfassung­sordnung“gelöst werden müsse. In diesem Sinne habe Deutschlan­d die spanische Regierung unterstütz­t. Die Beziehunge­n zu Spanien sieht Seibert wegen der Festnahme nicht belastet.

Das Oberlandes­gericht prüft anhand von Unterlagen aus Spanien auch, ob eine Übergabe an die spanischen Behörden rechtlich zulässig ist. Sollte einer Auslieferu­ng nichts im Wege stehen, liegt die Entscheidu­ng bei der Generalsta­atsanwalts­chaft.

 ?? BILD: SN/AP ?? In Katalonien halten die Proteste gegen die Festnahme von Carles Puigdemont an. Viele Demonstran­ten tragen Masken mit seinem Gesicht. In der Nacht auf Montag hat es in Barcelona Ausschreit­ungen mit zahlreiche­n Verletzten gegeben.
BILD: SN/AP In Katalonien halten die Proteste gegen die Festnahme von Carles Puigdemont an. Viele Demonstran­ten tragen Masken mit seinem Gesicht. In der Nacht auf Montag hat es in Barcelona Ausschreit­ungen mit zahlreiche­n Verletzten gegeben.

Newspapers in German

Newspapers from Austria