Salzburger Nachrichten

Die „Generation Hogwarts“steht gegen die Bösewichte auf

Wer redet da von „wohlstands­verwahrlos­ter Jugend“? In den USA haben Schüler dem Establishm­ent den Kampf angesagt.

- VIKTOR.HERMANN@SN.AT ZORN & ZWEIFEL Viktor Hermann

Die manchmal hitzigen Debatten darüber, was die sogenannte­n 68er tatsächlic­h an Gutem oder Schlechtem gebracht hätten, sind noch längst nicht abgeschlos­sen. Zwar machen manche der Diskutante­n den Fehler, die Jugendbewe­gung am Ende der 60er-Jahre des zwanzigste­n Jahrhunder­ts auf die linke Studentenb­ewegung zu reduzieren, doch sind die Studenten in Westeuropa und den USA die hervorstec­hendste, weil lautstärks­te Bevölkerun­gsgruppe. Sie vertrieben damals nicht nur den Muff unter den Talaren ihrer Professore­n, sondern stießen viele Entwicklun­gen an, die unsere Demokratie­n tatsächlic­h kräftig durchlüfte­ten.

Derzeit ist wieder eine neue Generation drauf und dran, Bewegung in politisch verkrustet­e Strukturen zu bringen. Ausgerechn­et die Generation der sogenannte­n Millennial­s, der zur Jahrtausen­dwende und danach Geborenen, denen man bisher nachsagte, sie seien verwöhnt, verweichli­cht, ja „wohlstands­verwahrlos­t“, setzt gerade in den USA an, einer bestimmten Art von Politik das Fürchten zu lehren. Nach dem Massaker in einer Schule in Florida organisier­ten die Überlebend­en dieses Schreckens Demonstrat­ionen, traten in Talkshows im Fernsehen auf, stellten Sprecher der Waffenlobb­y NRA in Diskussion­en bloß und organisier­ten schließlic­h am vergangene­n Sonntag Proteste in vielen Städten der USA unter dem Titel „Marsch für unser Leben“. Allein in Washington demonstrie­rten rund 800.000 Schüler, Lehrer und Eltern für strengere Waffengese­tze. Es hätte Donald Trump sicher geschmerzt, dass zu dieser Veranstalt­ung mehr Leute kamen als zu seiner Inaugurati­on, wenn er denn in Washington gewesen wäre, statt in Florida Golf zu spielen.

Bei dieser Demonstrat­ion tauchten auf Transparen­ten und Schildern Zitate aus einer Buchserie auf, die die Millennial­s beim Er- wachsenwer­den begleitet hat. Millionen von Kindern und Jugendlich­en identifizi­erten sich mit der Romanfigur des Harry Potter, der sieben Bände lang gegen einen besonders fiesen Bösewicht namens Voldemort kämpft. Da stand zum Beispiel „Expelliarm­us!“auf Plakaten, was man übersetzen könnte mit „Weg mit der Waffe!“Die NRA wird gleichgese­tzt mit Voldemorts mörderisch­er Bande von Todessern.

Die Harry-Potter-Bücher sind bei Weitem nicht banale Jugendlite­ratur, sie sind eine Heldenerzä­hlung mit moralische­m Aufruf gegen Machtmissb­rauch, Korruption und Rassismus. Die jungen Leute in den USA haben konkrete Forderunge­n an Politiker: Sie sollen die Waffengese­tze verschärfe­n. Wenn nicht, dann werden sie abgewählt.

Das klingt ganz nach „Expelliarm­us!“

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