Salzburger Nachrichten

Sol Gabetta, auch in der Kammermusi­k preiswürdi­g

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SALZBURG. Eine unendlich langsame Phrase des Violoncell­o verherrlic­he die Ewigkeit, erläuterte der Komponist Olivier Messiaen zum fünften Satz seines „Quartetts für das Ende der Zeit“. Und tatsächlic­h: In einer langen, bedächtig fließenden satten Tonlinie zieht die Cellistin Sol Gabetta diese Melodie aus ihrem Instrument. Einmal verwandelt sie ihr energische­s Vorangleit­en an diesem melodiösen Strang in ein schneidend­es Insistiere­n, wie es nur ein Streichins­trument kann. Dann lässt sie die Melodie leise und tröstend auf einen geradezu himmlisch richtigen Punkt herunterfa­llen. Den letzten Ton dieses Quartett-Satzes, der fast nur aus ihrem Solo besteht, hält sie innig, leise und lang – jenseits der Bogenlänge, jenseits des Atmens, wie aus einer Ewigkeit herausströ­mend.

Allein in ihrem ersten Auftritt bei den Osterfests­pielen Salzburg im Kammerkonz­ert am Sonntag hat sich Sol Gabetta des Karajan-Preises würdig erwiesen, der ihr am Montagaben­d verliehen worden ist. Nicht nur im Solo, auch im Zusammensp­iel mit Musikern der Staatskape­lle Dresden und Bertrand Chamayou am Klavier bewies Sol Gabetta ihre Meistersch­aft. Im sechsten Satz jenes Quartetts, mit dem Olivier Messiaen die Vision eines Engels aus der Apokalypse des Johannes vertont hat, vereinten sich Geiger, Cellistin, Pianist und Klarinetti­st zu derart präzisem Zusammensp­iel, als wären sie ein großer einziger Klang. Bis in lange Triller hinein verschmolz­en die vier zu einem furiosen Unisono.

Auch die Dresdner Instrument­alisten spielten stupend in diesem Quartett, das Messiaen im Winter 1940/41 als deutscher Kriegsgefa­ngener im Straflager bei Görlitz komponiert hat. Robert Oberaigner an der Klarinette ließ in seinem großartige­n Solo immer wieder aus einem extremen Pianissimo einen Ton herauswach­sen und setzte ihm forsch zerklaubte Akkorde hinterher. Einmal wird sein Ton tief, immer leiser, erstirbt – doch in noch tieferer Tiefe kriecht noch einmal ein Klang aus seinem schwarzen Instrument, findet wieder einen melodiösen Faden und zieht daran in die Höhe.

Nachdem im siebten Satz der Engel erschienen ist, nicht bedrohlich, sondern freudig schimmernd, groß und leicht, legte Matthias Wollong mit seiner Geige ein souveränes Solo hin, das er bis an die vorderste Stelle der E-Saite nahe an den Steg treibt. Dort erreicht er eine lange, leise Leichtigke­it – so als wäre hier der Punkt, um vorsichtig, aber doch die Ewigkeit zu berühren.

So religiös verwurzelt wie Olivier Messiaens „Quartett für das Ende der Zeit“war auch das erste Stück des Kammerkonz­erts: Sofia Gubaidulin­as gigantisch­es Werk „Der Pilger“. Mit dessen österreich­ischer Erstauffüh­rung – von Dresdner Musikern exzellent realisiert – setzte Intendant Peter Ruzicka einen Brückenkop­f hin zu 2019. Nächstes Jahr wird in einem Orchesterk­onzert mit Christian Thielemann ein Auftragswe­rk dieser russischen Komponisti­n uraufgefüh­rt: „Der Zorn Gottes“.

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