Alter Hexenkult beschäftigt zeitgenössische Künstlerinnen
Eine Ausstellung widmet sich der feministischen Rezeption einer Frauenfigur, die mächtig ist und unterdrückt wird.
Muscheln, die in einer geöffneten Handinnenseite ruhen, sanft umschlossen von gelb und schwarz lackierten Fingernägeln. Auch ein Haarbüschel gehört zu dem Keramikobjekt, das auf den ersten Blick als Requisite eines okkulten Rituals erkennbar ist. „Metal Goddess“nennt die 48-jährige amerikanische Künstlerin Roxanne Jackson ihre unheimliche Monsterpratze, die thematisch eine Brücke zwischen mythologisch aufgeladenem Fetisch und tolldreistem Kitsch für die Bobo-Wohnung schlägt.
Brennende Kerzen, gruselig anmutende Orakelkarten, Pentagramme, nackte, schlangenumrankte Fabelwesen mit vier Händen: Der Kunstort wird zu einer Auseinandersetzung mit einer Figur, die seit geraumer Zeit wieder in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten ist: der Hexe. Die Ausstellung „Magic Circle“im Kunstraum Niederösterreich spürt den „Hexen-Praxen in der Gegenwartskunst“nach, wobei insbesondere das Element des Widerständigen, des Sich-Auflehnens von Interesse sein soll.
„Das Faszinierende an der Figur der Hexe ist für uns, dass sie sowohl für Ermächtigung als auch für Unterdrückung steht“, sagen die feministische Kunstwissenschafterin Katharina Brandl und die Künstlerin Daniela Brugger. Gemeinsam hat das Duo vierzehn künstlerische Positionen ausgewählt, in denen es um die Historie weiblicher Aneignung von Macht sowie magischer Praktiken geht. Johanna Braun etwa berichtet in einem üppigen Bilderatlas – Aby Warburg lässt grüßen – über die blutige Geschichte von Missverständnissen, Fehlinterpretationen und Falschübersetzungen, die sich um die ominöse Figur der Hexe ranken. Veronika Eberhart wiederum zeigt ihren auch auf der Diagonale ’18 in Graz präsentierten Film „9 is 1 and 10 is none“. Was mit einem Hans-Baldung-Reenactment („Neujahrsgruß mit drei Hexen“, 1514) beginnt, geht in eine performative Vergangenheitsbeschwörung über, die auch die Frage stellt, wie Weiblichkeit in der kapitalistischen Gesellschaft funktionieren kann. Ganz anders der Zugang von Karin Ferrari, deren Video auf verschwörungstheoretischen Pfaden wandelt: Ein Pop-Video von Katy Perry wird auf dessen versteckte Botschaften analysiert: Fakten oder doch Fiktion? Fake News?
Auch Ariane Koch & Sarina Scheidegger machen mit dem Einlageblatt zum Katalog Verborgenes sichtbar und zudem den Leser zum Performer. Apropos Katalog. Er beinhaltet auch einen Zauberspruch von Linda Stupart, der „dich davor bewahrt, von einem männlichen Künstler ermordet zu werden“. Könnte ja einmal nützlich sein. Ausstellung: