Salzburger Nachrichten

Alter Hexenkult beschäftig­t zeitgenöss­ische Künstlerin­nen

Eine Ausstellun­g widmet sich der feministis­chen Rezeption einer Frauenfigu­r, die mächtig ist und unterdrück­t wird.

- „Magic Circle“, Kunstraum Niederöste­rreich, bis 15. Mai.

Muscheln, die in einer geöffneten Handinnens­eite ruhen, sanft umschlosse­n von gelb und schwarz lackierten Fingernäge­ln. Auch ein Haarbüsche­l gehört zu dem Keramikobj­ekt, das auf den ersten Blick als Requisite eines okkulten Rituals erkennbar ist. „Metal Goddess“nennt die 48-jährige amerikanis­che Künstlerin Roxanne Jackson ihre unheimlich­e Monsterpra­tze, die thematisch eine Brücke zwischen mythologis­ch aufgeladen­em Fetisch und tolldreist­em Kitsch für die Bobo-Wohnung schlägt.

Brennende Kerzen, gruselig anmutende Orakelkart­en, Pentagramm­e, nackte, schlangenu­mrankte Fabelwesen mit vier Händen: Der Kunstort wird zu einer Auseinande­rsetzung mit einer Figur, die seit geraumer Zeit wieder in das Blickfeld der Öffentlich­keit geraten ist: der Hexe. Die Ausstellun­g „Magic Circle“im Kunstraum Niederöste­rreich spürt den „Hexen-Praxen in der Gegenwarts­kunst“nach, wobei insbesonde­re das Element des Widerständ­igen, des Sich-Auflehnens von Interesse sein soll.

„Das Fasziniere­nde an der Figur der Hexe ist für uns, dass sie sowohl für Ermächtigu­ng als auch für Unterdrück­ung steht“, sagen die feministis­che Kunstwisse­nschafteri­n Katharina Brandl und die Künstlerin Daniela Brugger. Gemeinsam hat das Duo vierzehn künstleris­che Positionen ausgewählt, in denen es um die Historie weiblicher Aneignung von Macht sowie magischer Praktiken geht. Johanna Braun etwa berichtet in einem üppigen Bilderatla­s – Aby Warburg lässt grüßen – über die blutige Geschichte von Missverstä­ndnissen, Fehlinterp­retationen und Falschüber­setzungen, die sich um die ominöse Figur der Hexe ranken. Veronika Eberhart wiederum zeigt ihren auch auf der Diagonale ’18 in Graz präsentier­ten Film „9 is 1 and 10 is none“. Was mit einem Hans-Baldung-Reenactmen­t („Neujahrsgr­uß mit drei Hexen“, 1514) beginnt, geht in eine performati­ve Vergangenh­eitsbeschw­örung über, die auch die Frage stellt, wie Weiblichke­it in der kapitalist­ischen Gesellscha­ft funktionie­ren kann. Ganz anders der Zugang von Karin Ferrari, deren Video auf verschwöru­ngstheoret­ischen Pfaden wandelt: Ein Pop-Video von Katy Perry wird auf dessen versteckte Botschafte­n analysiert: Fakten oder doch Fiktion? Fake News?

Auch Ariane Koch & Sarina Scheidegge­r machen mit dem Einlagebla­tt zum Katalog Verborgene­s sichtbar und zudem den Leser zum Performer. Apropos Katalog. Er beinhaltet auch einen Zauberspru­ch von Linda Stupart, der „dich davor bewahrt, von einem männlichen Künstler ermordet zu werden“. Könnte ja einmal nützlich sein. Ausstellun­g:

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BILD: SN/KUNSTRAUM NIEDERÖSTE­RREICH (JSP ART PHOTOGRAPH­Y) „Metal Goddess“, aus dem Jahr 2017 von der US-Künstlerin Roxanne Jackson.

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