Salzburger Nachrichten

Für den Sojaanbau werden städtegroß­e Urwälder abgeholzt

80 Prozent der Bohne werden zu Schrot verarbeite­t, das als Futtermitt­el auch in europäisch­en Tiertrögen landet.

- SN, dpa

TARTAGAL. In einem einst dichten Waldgebiet im Norden Argentinie­ns leben Amancio und andere Mitglieder vom Stamm der Wichí wie auf einer Insel. Sie sind mittlerwei­le von allen Seiten umringt von Sojafelder­n, die bis auf 400 Meter an das Dorf herangerüc­kt sind. „Früher haben wir unser Trinkwasse­r aus der Lagune geholt, doch jetzt werden die Tiere krank, die dort trinken, und wir sehen tote Fische“, sagt Amancio und vermutet, dass auf die Felder Gift gesprüht wird. Davon geht auch die US-Umweltschu­tzorganisa­tion Mighty Earth aus, die in einem aktuellen Bericht von gigantisch­en Waldrodung­en für den Anbau von Sojabohnen in der Grenzregio­n Gran Chaco spricht.

In der Grenzregio­n zwischen Argentinie­n, Bolivien und Paraguay kämen „enorme Mengen an chemischem Dünger und giftigen Pestiziden“ zum Einsatz. Noch schlimmer sei die Rodung des Urwaldes zur Kultivieru­ng der Nutzpflanz­e, die Rede ist von Tausenden Hektar Wald. Nach Angaben der Organisati­on werden rund drei Viertel des weltweiten Sojaanbaus zu Tiernahrun­g verarbeite­t. Europa habe 2016 rund 28 Millionen Tonnen Soja aus Lateinamer­ika importiert.

Der Aufstieg Argentinie­ns zu einem der drei weltweit größten Sojaproduz­enten hat in Argentinie­n schlimme Folgen für den Wald und seine Lebewesen: Einer Liste der Welternähr­ungsorgani­sation (FAO) nach nimmt das südamerika­nische Land Platz neun der Staaten ein, die zwischen 2010 und 2015 den größten Verlust an Waldfläche­n zeigten. Allein in der Provinz Salta wurden zwischen 2006 und 2013 etwa 653.000 Hektar Urwald abgeholzt. Das entspricht dem Plattwalze­n von gut acht Städten der Größenordn­ung von New York.

Auf der anderen Seite steht ein dritter Platz im weltweiten Exportgesc­häft hinter den USA und Brasilien. In der Erntesaiso­n 2016/17 fuhr das südamerika­nische Land 114 Millionen Tonnen Sojabohnen ein. Und alles deutet auf eine neue Rekordernt­e in der Saison 2017/18 hin. Zwischen 84 und 90 Prozent der Sojaernte gehen in den Export, als Korn, Mehl, Öl und Biodiesel.

Zwar existieren seit 2009 Vorschrift­en, die das Abholzen großer Flächen in Salta verbieten. Doch zugleich gab die Provinzreg­ierung grünes Licht, 150.000 Hektar geschützte Gebiete in Bauland umzuklassi­fizieren – auf Wunsch von Finca-Besitzern, die dort entweder schon Land besaßen oder sich einkauften. Die Justiz verbot zwar Anfang des Jahres in einem Fall das Abholzen, doch der Besitzer scherte sich einfach nicht darum.

„Die Provinz Salta zieht Kapital an, um ein in der Pampa erfolgreic­hes Modell der Agrar- und Viehwirtsc­haft hier zu kopieren“, kritisiert Hernán Giardini von der Umweltschu­tzorganisa­tion Greenpeace in Argentinie­n. „Aber das ist ein Modell, das die Ressourcen erschöpft, sich nicht an die Umwelt anpasst und auch nicht gedacht ist, den Bewohnern zugutezuko­mmen.“Tatsächlic­h seien die Provinzen, in denen sich in den vergangene­n 30 Jahren die größte Abholzung konzentrie­rt habe, nach wie vor die ärmsten des Landes.

Die Wichí haben den vermeintli­chen Fortschrit­t, den der großflächi­ge Anbau von Soja und anderen Pflanzen auf den gerodeten Flächen bringen sollte, miterlebt: „Zuerst heuerten sie uns an, um die gefällten Bäume klein zu hacken. Danach gab es dann keine Arbeit mehr für uns“, erinnert sich ein Bruder von Amancio. Die Gemeinscha­ft, die aus zwölf Familien bestehe, sei Jahr für Jahr geschrumpf­t.

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BILD: SN/DPA/PATRICK SEEGER Die globale Soja-Anbaufläch­e beträgt 110 Millionen Hektar. Das ist mehr als das Dreifache der Größe Deutschlan­ds.

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