Salzburger Nachrichten

Bahnhof Beim prallen

Pendler, Anrainer und Touristen teilen sich den Südtiroler Platz mit Menschen, die ihn als ihr Wohnzimmer betrachten – oder gar keines haben.

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„Das müssen wir in der Inspektion klären, wenn Sie bitte mitkommen“, sagt der Polizeibea­mte zu dem etwa 35-Jährigen, der bei Nieselwett­er vor dem Eingang zum Hauptbahnh­of steht. Es geht um seinen Aufenthalt­sstatus. Der Polizist ist zusammen mit drei Kollegen auf Streifendi­enst. Der Mann zieht sich die Kapuze über und folgt den Beamten.

25.000 bis 30.000 Menschen frequentie­ren den Platz an einem durchschni­ttlichen Tag. Darunter Pendler, Anrainer und Touristen genauso wie Menschen, die sich dort mit Gleichgesi­nnten treffen. Das sind Alkoholike­r und Drogenkons­umenten genauso wie Asylbewerb­er oder wohnungslo­se Einheimisc­he. „Ladendiebs­tähle, Körperverl­etzung und Drogenkons­um – das gehört alles dazu“, berichtet Abteilungs­inspektor Christian Schwarz. Die Dienststel­le ist 24 Stunden am Tag besetzt, der Parteienve­rkehr hoch. Nur ein paar Hundert Meter weiter, vorbei an geschlosse­nen Sexshops, kümmern sich Mitarbeite­r des Bahnhofsoz­ialdienste­s der Caritas um die Anliegen ihrer Klienten – Wohnungslo­se und Menschen in anderen Notsituati­onen. Für sie ist der Südtiroler Platz ein Treffpunkt, ein Platz, an dem sie Zeit totschlage­n können.

„Einen Latte, wie immer?“, fragt der Kellner im Café Johann eine ältere Dame. Sie nickt und schält sich aus Haube und Mantel. Vor dem Fenster prasselt der Regen auf den Asphalt. Am gegenüberl­iegenden Tisch steht Forum-Mobil-Sprecher Peter Haibach. Der Bahn-Fan ist hier gerne zu Gast: „Ein richtig gutes Kaffeehaus wie das hier gibt es sonst auf keinem österreich­ischen Bahnhof“, sagt er. Aus der Küche ist das Klappern von Geschirr zu hören, im Gastraum gedämpftes Gemurmel. An der Wand steht ein Pianino. Jeden ersten Donnerstag im Monat gibt es hier abends Livemusik.

Mit steinerner Miene blickt Kaiserin „Sisi“als Statue vom Hotel Europa aus über den Platz. Sie ist Namensgebe­rin der „Elisabeth-Vorstadt“. Zu ihrer Zeit waren Bahnreisen eine Prestigesa­che und das frühere, mondäne Hotel de l’Europe thronte mitten in einer Parkanlage. Heute ist der Südtiroler Platz geprägt vom öffentlich­en Verkehr, von abgestellt­en Fahrrädern, dem in den vergangene­n 20 Jahren immer wieder umgestalte­ten Bahnhofsvo­rplatz und dem dahinter liegenden mit Bäumen bepflanzte­n Hain. Das Anti-Faschismus­Mahnmal dort wird in erster Linie von Tauben besucht – und als Taubenklo benutzt. „Das ist eine unwürdige Situation, die wir ändern werden“, sagt Vizebürger­meisterin Anja Hagenauer (SPÖ). Überhaupt werde der Hain aufgewerte­t, grüner, heller und schöner gemacht, verspricht sie. „Vielleicht ein Kinderspie­lplatz, vielleicht ein Markt.“

Den ersten Schritt zur Attraktivi­erung des Platzes haben Stadt und ÖBB mit der „Kulturschi­ene“gesetzt. Am kommenden Samstag findet hier ein Designmark­t statt. ÖBB-Bahnhofsma­nager Gabriel Goldmann liegt viel an einem besseren Image des Bahnhofvor­platzes. Das Alkoholver­bot, das der Gemeindera­t am 11. April beschließe­n will, will der ÖBB-Manager im Bahnhofsge­bäude mittragen.

Dass der Bahnhofsvo­rplatz unsicherer sei als andere Plätze in der Stadt, will Polizei-Inspektor Christian Schwarz nicht gelten lassen: „Nicht jeder, der hier herumsteht, ist ein Verbrecher.“Kostenlose­s WLAN, Cafés und Wettlokale rund um den Bahnhof wirken wie ein Magnet. Schwarz ergänzt: „Wir sind auch im Herzen Polizisten, das heißt, wir sind da, um zu helfen. Für alle, egal welcher Herkunft.“

„Bis Mai wissen wir, wie wir den Platz verbessern werden.“Anja Hagenauer, Vizebürger­m.

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