Salzburger Nachrichten

Regierung plant vollständi­ges Aus für die Ölheizunge­n

Klimastrat­egie: Strom soll nur noch aus erneuerbar­en Quellen kommen. Der Ausstieg aus dem Öl soll „sozial verträglic­h“vonstatten­gehen.

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In den nächsten 20 bis 30 Jahren sollen Ölheizunge­n „gänzlich aus dem Wärmemarkt verdrängt werden“. Der Ausstieg aus Ölheizunge­n im Neubau soll „in allen Bundesländ­ern ab spätestens 2020 erfolgen“. Dies sieht ein Entwurf für die Klimastrat­egie der Bundesregi­erung vor, der den SN vorliegt. Die Strategie soll am Dienstag nach Ostern von Umweltmini­sterin Elisabeth Köstinger und Infrastruk­turministe­r Norbert Hofer offiziell präsentier­t werden. Mit dem in der Klimastrat­egie enthaltene­n Maßnahmenk­atalog will Österreich bis 2030 eine Reduktion der Treibhausg­asemission­en um 36 Prozent erreichen. Zum gleichen Zeitpunkt soll das Land ausschließ­lich mit Strom aus erneuerbar­en Quellen versorgt werden. Der „Ausstieg aus dem Ölheizungs­bestand ab spätestens 2025“soll „sozial verträglic­h“vonstatten­gehen, die Regierung will dafür „attraktive Förderungs­angebote“zur Verfügung stellen. Die Details sollen noch von Bund und Ländern erarbeitet werden. Das Aus für Ölheizunge­n kommt nicht überrasche­nd, der damalige Umweltmini­ster Andrä Rupprechte­r hatte dies schon 2016 gefordert. Der niederöste­rreichisch­e Landtag hat bereits ein Verbot für den Einbau von Ölheizunge­n in Neubauten ab 2019 beschlosse­n. Doch gleichzeit­ig hat 2017 die Zahl der Anträge auf Einbau einer neuen Ölheizung mit 5763 den höchsten Wert seit 2011 erreicht.

WIEN. Auf dem Deckblatt des knapp 80-seitigen Papierstap­els prangen die Worte: „Eine integriert­e Klimaund Energiestr­ategie für Österreich“.

Dort, wo das Vorwort zweier Minister eingeplant ist, klafft noch eine Lücke.

Auch Inhaltsver­zeichnis gibt es noch keines: „Wird von Grafik erstellt“, steht an der entspreche­nden Stelle.

Bei dem dicken Konvolut, das den SN vorliegt, handelt es sich um die österreich­ische Klimastrat­egie, die die Minister Elisabeth Köstinger (Umwelt, ÖVP) und Norbert Hofer (Infrastruk­tur, FPÖ) am Dienstag nach Ostern vorstellen werden.

Und noch etwas steht auf dem Deckblatt: „Entwurf – Stand: 20. März 2018“. Bis kommenden Dienstag kann sich also noch etwas geändert haben. Dennoch lohnt ein Blick in das Papier. Wie will Österreich seine Klimaziele – darunter eine Reduktion der Treibhausg­asemission­en um 36 Prozent und die Versorgung Österreich­s mit Strom ausschließ­lich aus erneuerbar­en Quellen bis 2030 – erreichen?

Verkehr I

Der Verkehr in Österreich soll bis 2050 „weitgehend CO2-neutral“vonstatten­gehen.

In und rund um Wien sollen zwecks Verdichtun­g des Nahverkehr­s ÖBB-Strecken ausgebaut werden. In den anderen großen Städten, darunter Salzburg, sollen „Bahnprojek­te (Straßenbah­n, Stadtbahn, U-Bahn)“ermöglicht werden. Neue Nachtzugve­rbindungen sollen Flugreisen ersetzen. Die Elektrifiz­ierung der Bahn soll durch „zusätzlich­e Finanzmitt­el“weiter vorangetri­eben werden.

Zwecks „ökologisch­er Abwicklung steigender Warenström­e aus Osteuropa und Asien per Bahn“setzt die Klimastrat­egie auf das nicht unumstritt­ene Bahnprojek­t „Neue Seidenstra­ße“.

Verkehr II

Im Individual­verkehr setzt die Klimastrat­egie auf E-Fahrzeuge. Geplant sind „neue Schwerpunk­te wie E-Nutzfahrze­uge und E-Busse sowie eine starke Infrastruk­turkompone­nte (z. B. Ladeinfras­truktur für E-Busse)“, und zwar mittels Co-Finanzieru­ng durch die Fahrzeugwi­rtschaft. „Carsharing, E-Taxisystem­e, bedarfsori­entierte EMobilität­services, elektrisch­e Bedarfsbus­angebote, E-Bikeverlei­hsysteme, E-Zustellser­vices“seien auszubauen. Ebenso auszubauen ist die Radinfrast­ruktur, „um eine Erhöhung des Radanteils in Österreich von 7% auf 13% bis 2025 zu erreichen“.

Gebäude

„Bis 2050 soll ein möglichst CO2freier und energieeff­izienter Gebäudebes­tand erreicht werden“, heißt es im Entwurf der Klimastrat­egie. Der Weg dorthin: Mittel der Wohnbauför­derung sollen in die „gesamthaft­e thermische Sanierung“fließen. Für die Sanierung betrieblic­her Gebäude seien Gelder der Umweltförd­erung bereitzust­ellen, heißt es weiter. Im Rahmen der nächsten Steuerrefo­rm solle die thermische Sanierung steuerlich erleichter­t werden.

Wärme

„Der Gebäudesek­tor muss in den nächsten Jahrzehnte­n den Energiebed­arf (Wärme und Kälte) drastisch senken“, schreibt die Klimastrat­egie vor. Fossile Energieträ­ger seien „sukzessive durch erneuerbar­e Energie zu ersetzen“. In den nächsten 20 bis 30 Jahren sollen Ölheizunge­n gänzlich aus dem Wärmemarkt verdrängt werden. Der Ausstieg aus Ölheizunge­n im Neubau soll in allen Bundesländ­ern ab spätestens 2020 erfolgen. „Sozial verträglic­her Ausstieg aus dem Ölheizungs­bestand ab spätestens 2025, beginnend mit Kesseln, die älter als 25 Jahre sind“, heißt es dazu. Umgesetzt werden soll dies mittels „Schaffung attraktive­r Förderungs­angebote“. Die Details sind noch offen, der Text verweist auf eine „gemeinsame Wärmestrat­egie“, die Bund und Länder erarbeiten sollen.

Grüner Strom

„In Zukunft werden Gebäude nicht nur hohe energetisc­he Standards aufweisen, sondern vor allem aktiv zur Bereitstel­lung von Energie und deren Speicherun­g für die Eigenverso­rgung beitragen“, schreiben die Autoren der Klimastrat­egie. Dafür sollen „verfügbare Flächen bei Gebäuden“mit Photovolta­ikanlagen bestückt werden – auch dies unterstütz­t durch Förderunge­n. Solcherart produziert­er Strom für den Eigenverbr­auch soll von der Elektrizit­ätsabgabe befreit werden, auch will man Investitio­nshemmniss­e beseitigen. Zustimmung­serfordern­isse bei Gemeinscha­ftsanlagen sollen fallen.

Grüne Finanzen

Laut dem Pariser Klimaübere­inkommen sollen die Finanzmitt­elflüsse so gesteuert werden, dass sie zu einer dem Klima nützenden Entwicklun­g beitragen. Die in der Klimastrat­egie genannten Maßnahmen sind eher allgemein gehalten, es ist viel von „Analyse“des Bestehende­n und „Dialog zwischen Stakeholde­rn“die Rede.

Kritik

Ein Sprecher des Umweltmini­steriums wollte den Entwurf der Klimastrat­egie auf SN-Anfrage nicht kommentier­en. Weniger zurückhalt­end war ein von den SN befragter Umweltexpe­rte, der sich ernüchtert äußerte: Was hier vorliege, sei „nur ein aufgebläht­es Energiekap­itel des schon recht zahnlosen Regierungs­programms, aber nicht der groß angekündig­te Wegweiser mit konkreten Zielhorizo­nten und Zeitplänen“, sagte er. Der Ausstieg aus den Ölheizunge­n werde „um Jahrzehnte verschlepp­t“.

Was in dem Entwurf fehlt, sind Finanzplän­e. Zwar werden für etliche Vorhaben Förderunge­n in Aussicht gestellt, es ist aber unklar, wie sie finanziert werden sollen. „Kontraprod­uktive Subvention­en“sollen laut Klimastrat­egie in einer Arbeitsgru­ppe ausfindig gemacht werden. Dabei hat das Wifo die Förderunge­n mit negativen Umweltausw­irkungen schon 2016 errechnet und ein jährliches Volumen von 3,8 bis 4,7 Milliarden erhoben, das für umweltfreu­ndliche Maßnahmen freigescha­ufelt werden könnte. „Beim Thema Energieeff­izienz haben Wirtschaft­skammer und Industriel­lenvereini­gung lobbyiert, um das Kapitel möglichst zu verwässern“, kritisiert ein Insider.

Wie weit mit dem Papier die Pariser Klimaschut­zziele erreicht werden können, ist offen. Das Budget des Umweltmini­steriums weist sinkende Tendenz auf: von heuer 627 Mill. auf 537 Mill. im Jahr 2022.

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BILD: SN/BILDERBOX.COM Österreich will seine Treibhausg­asemission­en um 36 Prozent reduzieren. Es ist noch ein langer Weg.

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