100 Tage Kulturpolitik? „Es ist nichts passiert“
Bis vor Kurzem war Thomas Drozda selbst Kulturminister, jetzt ist er als SPÖ-Kultursprecher in Opposition und kritisiert seinen Nachfolger.
HEDWIG KAINBERGER SN: Sie sagten vor rund einer Woche, Sie hielten sich vor Ablauf der ersten 100 Tage mit Kritik am neuen Kulturminister zurück. Was resümieren Sie nun nach der Schonfrist? Thomas Drozda: Ich hätte gehofft, dass vom 97. bis zum 101. Tag etwas Entscheidendes passiert. Aber dem war nicht so. Vor allem teile ich die Enttäuschung vieler Kulturschaffenden über das Budget. Ich konzediere, dass der Herr Bundesminister (Gernot Blümel, ÖVP, Anm.) bei der einen oder anderen Eröffnung gewesen ist. Physische Präsenz ist eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung für einen Minister. Ich gäbe gerne eine differenzierte Beurteilung, aber mangels Gegenstand ist das nicht möglich. SN: Was heißt „mangels Gegenstand“? Es ist nichts passiert. Das Herumturnen rund um einen Termin für den Kulturausschuss ist peinlich. Wer so viel anderes zu tun hat, sollte offen einräumen, dass es ein Irrtum gewesen ist, die Kulturagenden zu übernehmen. SN: Fordern Sie eine Umbildung der Regierung? Nein, so weit möchte ich nicht gehen. Doch ein Land, das international als Kunst- und Kulturnation wahrgenommen wird, sollte dieser Reputation folgen. Das sehe ich nicht gewährleistet. Und Sie kennen das Regierungsprogramm mit seinen blumigen Formulierungen. In der Tätigkeit des Ministers kommt das alles nicht vor. SN: Was sonst wäre nötig? Dass der Minister seine Prioritäten in Richtung Kunst und Kultur verschiebt. Aber April, Mai und Juni wird er für Vorbereitungen der EUPräsidentschaft brauchen, dann kommt die Präsidentschaft. So wird in der Kulturpolitik in den nächsten 200 Tagen so viel stattfinden wie in den ersten 100. Es läuft auf zumindest ein Jahr Stagnation hinaus. SN: Gibt es derweil einen Termin für einen Kulturausschuss? Wir hatten bisher den 3. Mai in Diskussion. Da allerdings der Minister für den 5. April alle parlamentarischen Kultursprecher zu sich eingeladen hat, habe ich ihm vorgeschlagen, stattdessen in einen Kulturausschuss zu kommen. Darauf erwiderte er, für einen Ausschuss hätte er wenn, dann nur eine Stunde Zeit. SN: Ist jetzt ein Termin fixiert? 3. Mai oder 5. April? Für beide Termine – also 60 Minuten am 5. 4. und am 3. 5. – liegt nun die Zustimmung aller Fraktionen vor. Trotzdem: Diese langwierige Terminsuche ist ein Indiz für mangelndes Engagement. So wie man sagt, ein Budget sei in Zahlen gegossene Politik, so ist ein Terminplan in Zeit gegossene Priorität. Für Kunst und Kultur gibt es die offenbar nicht. Eigentlich fällt so ein Abtausch von Kultursprechertreffen und Kulturausschuss unter Taschenspielertricks. Das ist des Parlaments unwürdig, ja, es ist stillos. SN: Wie lange hat es keinen Kulturausschuss gegeben? Zuletzt vor dem Bruch der Koalition, also im Februar und im Mai des Vorjahres. Kein anderer Fachausschuss des Nationalrats hat derart lange pausiert. SN: Sie als Ausschussvorsitzender können sonst nichts machen? Wir werden auf parlamentarischer Ebene schon Aktivitäten setzen. Wir werden Entschließungsanträge einbringen. Zu Denkmalamt und Museen haben wir das schon gemacht. Aber ich fürchte, das wird von Schwarz-Blau niedergestimmt. Ich setzte meine Open-Space-Diskussionsreihe mit Künstlerinnen und Künstlern fort, um so wenigstens den Diskurs zu befördern. SN: Was stünde sonst an? Man sollte schauen, ob und wie man Kompetenzen in der Filmförderung zusammenführen kann. Bis Sommer kommt eine neue Studie über die soziale Lage, da wird sich wieder die Frage nach sozialer Absicherung stellen. Auch sonst gibt es kleinteilige Themen, an denen man dranbleiben muss – wie Galerienförderung. Oder: Wie geht es mit der Biennale Venedig weiter? Ich höre, dass das Sponsoring schwierig wird. All das setzt viel Zeit, Befassung und Leidenschaft voraus.
Hauptthema muss die Budgetierung sein. Es ist unbefriedigend, bei drei Prozent Wachstum und zwei Prozent Inflation keine Steigerung zu erzielen. Dem Minister zufolge ist die geringfügige Erhöhung für Gedenkjahr und EU-Präsidentschaft verplant. Keine Valorisierung bedeutet aber reale Einbußen – für Bundesmuseen, für Festspiele von Salzburg bis Bregenz, bis hin zu freien Gruppen und Zeitgenössischem. Wie sollen die damit umgehen? SN: Der 13-Prozent-Satz der Umsatzsteuer fällt im Tourismus, bleibt aber für Kunst und Kultur. Dass man eine Entlastung für den Tourismus macht, aber nicht Gleiches für Theater und Konzert, was noch dazu ein Zwanzigstel kosten würde, ist ebenso Ausdruck für Desinteresse. Wolfgang Zinggl (Liste Pilz) hat dazu einen Änderungsantrag eingebracht; wir werden ihn unterstützen. Doch auch da werden uns die Regierungsparteien niederstimmen, wenn der zuständige Minister sagt, es sei eh nicht wichtig.
„Mangels Gegenstand ist eine Beurteilung nicht möglich.“