„Vorstellungskraft hat Macht“
Er gilt als einer der 100 klügsten Köpfe Deutschlands. Der SAP-Futurist Martin Wezowski zeichnet eine Welt der Arbeit, wie man sie kaum erträumen kann.
SALZBURG. Martin Wezowski ist ein Rockstar im doppelten Sinn. Er spielte in einer Punkrock-Band, heute ist er Chefdesigner und Visionär beim Softwareanbieter SAP. Als solcher ist er weltweit gefragt und gilt als einer der 100 klügsten Köpfe Deutschlands. Anfang Juli wird er in Salzburg bei der Startup Executive Academy, einem Bildungsprogramm für Startups, Impulse geben – weil Musik, die Zukunft der Arbeit und Salzburg ja irgendwie wunderbar zueinander passen. SN: Was macht eigentlich ein Berufsvisionär? Martin Wezowski: Das ist ziemlich einfach. Wir arbeiten an der möglichen Zukunft. Die Innovationsstrategie ist ein wichtiges Stück Arbeit, denn sie leitet SAP in seiner gesamten Unternehmensstrategie. Wie können wir die Welt künftig am Laufen halten, wenn diese Zukunft schneller passiert, als wir uns das vorgestellt haben? Wir müssen verstehen, was die Zukunft der Arbeit ist, die Zukunft der Menschen, die mit Technologie zusammenarbeiten. Es ist meine Aufgabe, mit dieser möglichen, erstrebenswerten Zukunft zu arbeiten. Der Output heißt Innovationsstrategie. SN: Sie beobachten die Veränderungen, die passieren, aber wie können Sie das in die eigene Entwicklung im Unternehmen integrieren? Menschen sind daran gewöhnt, die Dinge richtig zu machen. Auch viele unserer Kunden sind exzellent darin, dass sie die Dinge richtig machen. Wir fragen, was sind die wichtigen Dinge, die künftig gemacht werden müssen. Hier startet die Erhebung. Wir observieren die Welt objektiv. Ich empfehle das auch dringend unseren Kunden und Partnern. Sie müssen sich fragen, wie schauen die Erfindungen und Innovationen aus, die kommen und gehen. Wenn man das hat, geht es darum , die Erzählung der Zukunft zu kreieren, zu artikulieren, was passieren könnte. Ich erinnere: Die Zukunft ist noch nicht passiert. Wenn die Zukunft ein halbes Jahr oder zehn Jahre vor uns liegt, dann liegt es an uns, welche Geschichte wir uns vorstellen. Man bekommt damit also eine Vorstellung, wie die mögliche Zukunft ausschauen könnte. Die nächste Übung heißt strategische Sichtweise. Welche Zukunft wünschen wir uns. Wenn man eine lange Liste für die mögliche und wünschenswerte Zukunft hat, kann man eine Strategie machen. Ein Unternehmen kann sagen, hier können wir eine absolut bedeutende, positive Rolle spielen. So beginnt man, das im Unternehmen zu implementieren. SN: Klingt das alles nicht zu positiv, um wahr zu sein? Das muss positiv sein. Warum würden Sie für etwas Negatives arbeiten wollen? SN: Nicht wenige sind angesichts der Verschmelzung von Technologie und Mensch verängstigt. Was sagen Sie denen? Ich mag die Idee, dass wir jenseits der traditionellen menschlichen Fähigkeiten agieren können. Wir werden mehr Zeit haben, weil wir manuelle Arbeit, etwa das Ausfüllen von Excel-Tabellen, an Maschinen delegieren können. Also können wir uns auf Problemlösungen außerhalb der Routine konzentrieren. Wir wollen den Sprung zum intelligenten Unternehmen machen, in dem wir uns auf kognitive Aufgaben und Wissenstransfer verlegen. Unternehmen werden mehr oder weniger selbstfahrende Unternehmen. Wir können uns also absolut auf einen höherwertigen Output konzentrieren. Wir gehen mit der Idee von Dutopia zur Arbeit, etwas das man tut, um eine Utopie zu kreieren. Das geht weit über das Ausfüllen von Excel-Dateien hinaus. Wir sind frei, unser menschliches Wissen zu nützen. SN: Trifft das alles nicht nur für Eliten zu? Ich widerspreche Ihnen. Jeder kann das. Wir sind alle kreativ geboren, das ist in unserer DNA. Wir können erwiesenermaßen Dinge schaffen, die wir uns vorher vorgestellt haben. Daher ist die Welt, wie sie heute ist, die beste seit es Menschen gibt. Wir können Prozesse automatisieren, dann können wir beginnen, uns darauf zu konzentrieren, komplexe Probleme zu lösen – mit kritischem Denken, indem wir Situationen genau prüfen mit unserer vererbten Kreativität. Wir werden auch emotionale Intelligenz nutzen. Es wird einen emotionalen Quotienten geben oder einen Anpassungs-IQ: Wie schnell können wir voneinander lernen und dieses Wissen weitergeben? Vorstellungsgabe, Kreativität, strategisches Denken wird an Bedeutung gewinnen. Das sind die Dinge, die gemeinsam mit Empathie die Jobs der Zukunft sichern werden. Und glücklicherweise ist all dies schon in unserer DNA. Wir müssen nur den Mechanismus erfinden, um das aus jedem herauszuholen. SN: Aber viele Unternehmen agieren oft sehr kurzsichtig. Wie bringt man mehr langfristiges Denken hinein? Wir fokussieren auf die Kurzzeitlösungen, weil wir denken, das funktioniert. Aber es ist nicht alles, ein oder zwei Quartale lang Erfolge zu haben. Das Jetzt war in der Menschheitsgeschichte noch nie so flüchtig wie heute. Wir haben bei uns und unseren Partnern sowie Kunden also das Drei-HorizonteDenken eingeführt. Der erste Horizont ist das Heute, der dritte ist die Vision. Wie können wir uns verwandeln. Warum existieren wir noch in zehn, 15 Jahren. Der Trick ist der zweite Horizont. Wer die Lösungen hat, die bereits konsumiert werden können, und die Vision, die einen inspiriert, findet in der Mitte den Vertrauenshorizont. Man vertraut darauf, dass, was immer man produziert, auch in der Zukunft relevant sein wird. Mit der Macht der Vorstellung kommt die Macht, Geschäftsmodelle, Technologien und Produkte neu zu gestalten. SN: Es ist aber hart, den Status quo infrage zu stellen. Ich will eine Veränderung hin zu etwas Besserem, zu mehr Kooperation. Wir brauchen die Einstellung, dass wir darauf vertrauen, mit einer Technologie unser Geschäft in etwas Nachhaltiges verwandeln zu können. Nachhaltig für den Profit, den Zweck, die Umwelt. Netzwerke bringen heute Ideen zusammen, die vorher nie zusammengebracht worden sind. Wer diese Aktivitäten nicht etabliert hat, könnte bald den Anschluss verlieren. Zu scheitern und dabei zu lernen ist das Beste, was man tun kann. Und es ist billiger als in die falsche Richtung zu skalieren, wie Nokia oder Kodak gezeigt haben. SN: Wird der Datenskandal rund um Facebook die Transformation in eine Welt, in der Mensch und Technologie verschmelzen, einbremsen? Das glaube ich nicht. Technologie hat uns immer geholfen. Ich kann nicht sehen, warum sich das ändern sollte. Dafür sehe ich in meinen Studien keine Indikatoren. Es wird Unfälle, technologische und soziale Probleme geben, aber dafür sind wir hier. Menschlicher Einfallsreichtum und maschinelle Intelligenz werden in einer Symbiose zusammenwirken. Für mich heißt der Datenskandal nur: Arbeite härter daran, diese Probleme zu lösen. SN: Warum werden Sie in Salzburg bei der Startup Executive Academy dabei sein? Spielt Ihre Vergangenheit als Musiker eine Rolle? Musik ist nicht irrelevant. Das Leben ist wie Musik, revolutionär und wunderbar. Technologie und menschliche Genialität werden in einer Symbiose leben. Wenn man das mit Musik vergleicht, dann sieht man, Musik funktioniert nur, wenn technische Harmonie und menschliche Spannung in der richtigen Kombination aufeinandertreffen. Also gibt es durchaus eine philosophische Verbindung zu Salzburg. Es ist ein guter Platz, um einander zu treffen.
Martin Wezowski ist in Polen geboren. Mit 14 Jahren, als seine Eltern aus dem damals kommunistischen Land auswanderten, kam er nach Schweden. Er spielte in einer Punkrock-Band und ist ausgebildeter Ingenieur. Bevor er 2013 zu SAP kam, war er unter anderem Kreativ-Direktor bei Sony Ericsson und bei Huawei Direktor des Anwender-Erlebnis-Teams. Bei der Startup Executive Academy, einem Ausbildungsprogramm für Startups in Salzburg, wird Wezowski ein Hauptredner sein. Das Programm (29. Juni bis 4. Juli) wird von Silicon Castles im Schloss Urstein veranstaltet. Im Anschluss daran ist eine für Manager konzipierte Corporate Executive Academy geplant (4. bis 6. Juli).