Aufenthaltstitel erschlichen
Kriminalisten gelang ein großer Schlag gegen das organisierte Verbrechen: Sie ließen eine Sprachdiplom-Mafia auffliegen, die Ausländern beim finanziellen Betrug am Staat half.
WIEN. Das Geschäft mit ge- oder verfälschten Deutsch-Zertifikaten boomt: Am Freitag berichteten verdeckte Ermittler der Wiener Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug (AFA) von Dokumentenfälschung im großen Stil. „Organisierte Tätergruppen haben Lücken im Gesetz ausgenutzt, eine Hierarchie aufgebaut, Zeugen eingeschüchtert. Das hat mafiöse Züge“, sagte Valentin S. Der Kriminalbeamte ermittelt in diesen Fällen und will seinen vollen Namen daher nicht genannt wissen.
Die rund 3000 bisher ausgeforschten Abnehmer – sie stammen überwiegend aus dem serbokroatischen Raum, aus Albanien oder dem Kosovo – benutzten die Bestätigung, dass sie Deutsch auf dem guten A1- oder B2-Niveau sprechen, um einen Aufenthaltstitel und damit finanzielle Leistungen in Österreich zu bekommen. „Dafür bezahlten sie zwischen 100 und 2700 Euro, je nach Anbieter“, erzählte S. Die Qualität der Bescheinigungen variiert. „Oft sind Fälschungen besser als das Original“, erklärte er.
Damit, dass sich Tausende Menschen mit falschen Sprachdiplomen ihren Aufenthalt in Österreich erschlichen haben, ist es allerdings nicht getan. Denn wer ein solches Diplom erwirbt, wird von Land oder Bund gefördert. Suchen Personen mit gefälschtem Dokument um dieses Geld an, begehen sie Förderbetrug. Erlangen sie dann einen Aufenthaltstitel in Österreich, können sie arbeiten und haben Zugang zu Leistungen im Gesundheitssystem. S. berichtete von zwei Fällen, bei denen Patienten ihren Aufenthalt illegal erworben und danach Krebstherapien im Wert von mehreren Zehntausend Euro bekommen haben. Das Ausmaß des Sozialbetrugs ist Gegenstand weiterer Erhebungen.
Zu den Tätern sagte der Ermittler, dass seit 2014 insgesamt 25 hauptverantwortliche Personen ausgeforscht wurden, die an privaten Sprachinstituten Totalfälschungen oder verfälschte Diplome ausgestellt hatten. Zwei sind gebürtige Österreicher, die anderen stammen überwiegend aus dem serbokroatischen Raum. Außerdem konnte die Polizei zehn Tätergruppen mit 80 Beitragstätern zerschlagen; es kam zu 33 Festnahmen. Seit Oktober 2015 gab es 8000 Anzeigen in der Causa Sprachdiplome, konkret wegen „Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt“nach Paragraf 115 des Fremdenpolizeigesetzes.
Bemerkenswert ist die Entwicklung bei diesen Delikten: Während es in den Jahren 2010 bis 2014 insgesamt 82 solcher Fälle gab, waren es von 2015 bis 2017 bereits 4000. „Das ist eine Steigerung um 4500 Prozent“, erklärte Valentin S. Um wie viel Geld sich die Sprachdiplom-Mafia bereichert hat, will S. nicht genau sagen, er bestätigt jedoch, dass die Summe sich „im siebenstelligen Euro-Bereich“bewegt. Die meisten Fälle seien in Wien aufgetaucht, einige andere in Niederösterreich und Oberösterreich. In Salzburg habe es maximal eine Handvoll solcher Delikte gegeben.
Die bisher letzten Festnahmen erfolgten in der ersten Märzhälfte 2018 im Bezirk Wien-Umgebung, wo eine Niederösterreicherin ohne Genehmigung eine Sprachschule betrieb und nach bisherigen Erkenntnissen in fünf Jahren rund 300.000 Euro einnahm. Die Frau befindet sich in Wien in U-Haft.
Ob Menschen, die sich ihren Aufenthaltstitel mithilfe eines gefälschten Deutsch-Zertifikats erschlichen haben, mit einer Ausweisung aus Österreich rechnen müssen? „Das ist sehr unwahrscheinlich, weil die Strafdrohung zu gering ist, um aus Österreich entfernt zu werden“, sagte Valentin S. Das gelte auch für jene, die die falschen Zertifikate ausstellen. Vor Gericht würden solche Verfahren zu 99,9 Prozent mit einer Diversion enden.
„Die Causa Sprachdiplome hat mafiöse Züge.“Valentin S., Ermittler