Salzburger Nachrichten

Faule Kredite, Milliarden­boni und ein Trauerspie­l in Frankfurt

In den US-Banken scheint alles wie früher zu sein. In der Deutschen Bank macht der Rückblick auf glorreiche Zeiten dagegen wehmütig.

- WWW.SN.AT/WIENS

2018 ist ein Jahr der Erinnerung – vor allem in Österreich. Wir blicken weit zurück – auf die Gründung und auch auf die dunklen Stunden der Republik. Um sich die dunklen Stunden in der Weltwirtsc­haft ins Gedächtnis zu rufen, muss man nicht so weit zurückgehe­n.

Es genügt ein Zeitsprung um zehn Jahre in den März 2008. Da gab es bereits einen ersten Vorgeschma­ck auf das, was im Herbst auf die Finanzbran­che und in der Folge auf die Weltwirtsc­haft zukommen sollte. Mitte März war die damals fünftgrößt­e US-Investment­bank Bear Stearns gestrauche­lt, sie musste vom Konkurrent­en JPMorgan übernommen werden. Auch in Europas Bankenszen­e gab es schon heftige Turbulenze­n, die Notenbanke­n stellten Milliarden an Liquidität für die Banken bereit. Der damalige Chef des ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, fasste die Lage im März 2008 in einem Satz zusammen: „Die Party ist vorbei.“

Das war sie tatsächlic­h. Und jetzt, zehn Jahre später. Finanzkris­e – war da was? Der Konjunktur­motor brummt, die Börsen boomen, die Unternehme­n investiere­n, die Konsumente­n kaufen ein, die Gewinne der Banken sprudeln wieder. Kurz gesagt: Zehn Jahre nach der Finanzkris­e ist die Party wieder in vollem Gang.

Ganz besonders gilt das für die New Yorker Wall Street und die dort tätigen Geldhäuser. Die Boni für die Investment­banker haben 2017 den höchsten Stand seit elf Jahren erreicht. Im Durchschni­tt streiften die Jongleure des Geldes eine Sonderzahl­ung von 184.220 Dollar ein, um 17 Prozent mehr als im Jahr davor. Damit kamen die Boni nur knapp unter dem Allzeithoc­h von 191.360 Dollar 2006 zu liegen. Laut dem Kämmerer des Bundesstaa­ts New York wurden insgesamt 31,4 Mrd. Dollar ausgezahlt.

Ist also alles überstande­n, brechen nach dem verlorenen Jahrzehnt jetzt wieder goldene Zeiten an? Nun, auch wenn es den Anschein hat, als sei das Schlimmste vorüber, ist Wachsamkei­t angebracht, vor allem in Europas Bankensekt­or. Der schiebt noch immer einen Berg an faulen Krediten vor sich her. Der hat sich in den vergangene­n Jahren zwar um mehr als 200 Mrd. Euro verkleiner­t, er ist aber bei den von der EZB beaufsicht­igten großen Banken noch immer rund 750 Mrd. Euro groß. Darüber hinaus dürften aber in mittleren und kleinen Banken auch noch viele uneinbring­liche Darlehen schlummern. Diese Not leidenden Kredite, wie sie auch genannt werden, könnten viele Banken noch in gewaltige Nöte bringen, auch wenn sie alles tun, ihre offenen Forderunge­n auf den Markt zu werfen. Das ist freilich meist auch ein Verlustges­chäft, denn Käufer verlangen hohe Abschläge. Daher sind die Bankenaufs­eher trotz erster Erfolge in Sorge.

Ernsthafte Sorgen muss man sich auch um die Deutsche Bank machen. Nicht wegen ihrer faulen Kredite, sondern wegen der Turbulenze­n in der Führungset­age des größten Geldhauses der Bundesrepu­blik. Dort demontiert Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner gerade auf offener Bühne den Vorstandsc­hef der Bank.

John Cryan, vor drei Jahren als Sanierer geholt, hat die in ihn gesetzten Erwartunge­n, die Bank neu auszuricht­en und wieder in ruhiges Fahrwasser zu führen, nicht erfüllt. 2017 gab es das dritte Jahr in Folge Verluste, der Aktienkurs dümpelt vor sich hin, und obwohl ausgerechn­et das Investment­banking schwächelt, erhielten die Mitarbeite­r Boni von 2,3 Mrd. Euro.

Dass das den Aufsichtsr­atschef, der die Interessen der Eigentümer zu wahren hat, auf den Plan ruft, ist nicht verwunderl­ich. Aber der stellt sich dabei so ungeschick­t an, dass sich berechtigt­e Zweifel am Vorstandsc­hef auf ihn übertragen – ein Trauerspie­l zum Schaden der Bank. Dass da keine Partystimm­ung aufkommt, liegt auf der Hand. Sie könnte sich aber im gesamten Bankensekt­or als verfrüht erweisen.

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Richard Wiens

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