Salzburger Nachrichten

Die Sozialpart­ner sind in Bedrängnis

Die Sozialpart­ner wurden oft als Nebenregie­rung bezeichnet. Die jetzige Regierung will das nicht länger dulden.

- Alfred Pfeiffenbe­rger ALFRED.PFEIFFENBE­RGER@SN.AT

Die Regierung nimmt die Sozialpart­nerschaft ins Visier. Die enge Zusammenar­beit zwischen Arbeitnehm­ern und Arbeitgebe­rn gilt seit 1945 als Pfeiler für die positive Entwicklun­g Österreich­s. Ohne Gewerkscha­ft, Wirtschaft­skammer, Landwirtsc­haftskamme­r und Arbeiterka­mmer passierte in diesem Land wenig. So manche Regierung und ihre Reformvorh­aben sind am Widerstand der Sozialpart­ner schon gescheiter­t.

ÖVP und FPÖ wollen die Macht der Sozialpart­ner beschneide­n. Im nun vorgestell­ten Programm für die kommenden hundert Tage finden sich gleich zwei Vorhaben, die direkt auf die Einflusssp­häre der Sozialpart­ner zielen: die geplanten Zusammenle­gungen im Sozialvers­icherungss­ystem und die Reformen beim Arbeitsmar­ktservice. In diesen Institutio­nen sitzen Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r an den Schalthebe­ln der Macht. So etwa in den neun Gebietskra­nkenkassen, die von Arbeitnehm­er- und Arbeitgebe­rvertreter­n gemeinsam geführt werden. Im AMS ist es ähnlich. Dazu kommt, dass Arbeiter- und Wirtschaft­skammer in den nächsten Monaten Pläne vorlegen müssen, wie sie effiziente­r arbeiten. Falls das der Regierung nicht ausreicht, will sie die Höhe der Kammerumla­gen senken und so Einsparung­en erzwingen. Freundlich­keiten sehen anders aus.

Bei der FPÖ ist dies nachvollzi­ehbar. Die Freiheitli­chen lehnten die Sozialpart­nerschaft von jeher ab. Diese sei intranspar­ent und es würden dort Entscheidu­ngen für ganz Österreich getroffen, obwohl die Vertreter dafür teils nicht demokratis­ch legitimier­t sind, lauten die Argumente der Freiheitli­chen. Aber auch der neuen, türkisen ÖVP geht die Macht der Sozialpart­ner anscheinen­d zu weit. Diese sollten sich auf ihre Kernkompet­enzen beschränke­n und die Arbeit von Regierung und Sozialpart­nern gehöre klar getrennt, sagte Kanzler Sebastian Kurz einst im Wahlkampf.

Die Sozialpart­ner sind, zumindest teilweise, selbst schuld, dass sie infrage gestellt werden. Sie tun sich zunehmend schwerer, gemeinsame Lösungen zu finden. Die Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t, über die seit Jahren diskutiert wird, ist dafür nur ein Beispiel. Da hilft auch der Verweis auf die Vergangenh­eit und die dort erbrachten Leistungen nicht viel. Wenn die Sozialpart­ner weiterhin eine wichtige Rolle in und für Österreich spielen wollen, dann müssen sie schnell gemeinsame Antworten für eine Gesellscha­ft finden, die mit den Auswirkung­en von Globalisie­rung und Digitalisi­erung konfrontie­rt ist. Eine Sozialpart­nerschaft 4.0 sozusagen, sonst droht der Shutdown.

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