Salzburger Nachrichten

Da drohen noch einige Einschnitt­e

Vom Pflegeregr­ess bis zur GIS-Gebühr: Die Länder haben es nicht gern, wenn ihnen der Bund in die Tasche greift.

- ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Da ist der Regierungs­spitze doch einiges danebengeg­angen in puncto „Message Control“, also Kontrolle über Kommunikat­ion und Nachrichte­nfluss. Kaum war die Budgetrede Finanzmini­ster Hartwig Lögers verklungen, meldeten sich die ersten Minister – nämlich Josef Moser, Justiz, und Mario Kunasek, Verteidigu­ng – mit Nachforder­ungen ans Budget. Und Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger-Klein machte den Ländern kühn Hoffnung auf „eine zusätzlich­e Finanzieru­ng seitens des Bundes“zur Abdeckung der Pflegekost­en. Derlei mediale Einzelgäng­e ist man in der Regierung Kurz/Strache, die großen Wert legt auf ministerie­lle Disziplin und auf stromlinie­nförmigen Außenauftr­itt, nicht gewöhnt.

Doch jede Wette: Der führungsst­arke Bundeskanz­ler und seine Vertrauten, die an strategisc­hen Stellen im Kanzleramt postiert sind, werden die Miniaturre­volte in den Griff bekommen, ehe sie noch wirklich losbricht. Was die Arbeit der Regierung hingegen über kurz oder lang tatsächlic­h belasten könnte, findet jenseits Wiens und außerhalb des Wiener Regierungs­zirkels statt und ist mit den Schlagwört­ern „Geld“und „Föderalism­us“nur unzulängli­ch beschriebe­n. Es geht um das finanziell­e Verhältnis zu den Bundesländ­ern. Österreich­s Staatsfina­nzen sind ein verschlung­enes System wechselsei­tiger Abhängigke­iten. Wenn daher der Bund an einer der zahlreiche­n Steuerschr­auben dreht oder wenn er irgendwo im Budget eine Änderung der Ausgaben und Einnahmen vornimmt, spüren das in der Regel auch die Länder. Die, wie die Erfahrung zeigt, äußerst widerborst­ig sind, wenn sie das Gefühl haben, dass der Bund ihnen in die Tasche greift.

Wie an der seit Wochen wogenden Diskussion über den Pflegeregr­ess ersichtlic­h ist. Der Bund hat diesen bekanntlic­h abgeschaff­t und will die Länder, die die Kosten der sozialen Wohltat zu tragen haben, mit 100 Millionen Euro abspeisen. Berechnung­en des Städtebund­es ergeben einen Mehraufwan­d von bis zu 650 Millionen. Anders als die Gesundheit­sministeri­n, siehe oben, stellte sich der Finanzmini­ster bisher taub. Hier schlummert Konfliktpo­tenzial zwischen den Ländern und der Regierung in Wien im Gesamtausm­aß von rund einer halben Milliarde.

Oder der Familienbo­nus. Dieser ist, wie der abgeschaff­te Pflegeregr­ess, eine sinnvolle Maßnahme. Hat aber die unangenehm­e Nebenwirku­ng, dass er die Steuereinn­ahmen des Bundes um rund 1,2 Milliarden verringert. Da rund ein Drittel der gemeinscha­ftlichen Bundesabga­ben in den Kassen der Länder landet, müssen sie die Wohltat der Regierung Kurz/Strache auch mit einem Drittel mitfinanzi­eren. Obwohl sie diese nicht beschlosse­n haben.

Ein weiterer Bund-Länder-Konflikt verbirgt sich in der auf Regierungs­ebene ventiliert­en Idee, den ORF künftig aus dem Bundesbudg­et zu finanziere­n und im Gegenzug die GIS-Gebühr abzuschaff­en. Auch dies würde die Länder unmittelba­r betreffen. Denn diese schneiden bei den GIS-Einnahmen kräftig mit. Dem ORF bleiben von den Gebühren, die monatlich je nach Bundesland zwischen 20,93 (Vorarlberg, Oberösterr­eich) und 26,73 (Steiermark) betragen, nur 17,21 Euro. Den Rest teilen sich die öffentlich­en Hände: Zwei Euro gehen – unter anderem als „Kunstförde­rungsbeitr­ag“– an den Bund. Bis zu 5,80 Euro des GIS-Beitrags kassieren die Bundesländ­er in Form einer „Landesabga­be“ein. Nur Vorarlberg und Oberösterr­eich verzichten auf dieses Körberlgel­d, das für die Empfänger den entschiede­nen Vorteil hat, dass nicht sie es eintreiben müssen, sondern die GIS. (Wodurch der Unmut der Bürger sich nicht gegen die Profiteure des Geldes richtet, sondern gegen den ORF, der gar nichts dafür kann. Aber das ist eine andere Geschichte.) Streicht nun die Regierung die GIS-Gebühren, fallen die Länder um ihr Körberlgel­d um. Und werden zweifellos Kompensati­on durch den Bund verlangen. Es geht um rund 135 Millionen, die solcherart von den Gebührenza­hlern zu den Gebietskör­perschafte­n umverteilt werden.

Und schließlic­h der Plan der Regierung, die Notstandsh­ilfe abzuschaff­en und durch die Mindestsic­herung zu ersetzen. Die wer zahlen muss? Die Länder, die wohl auch hier nach entspreche­nder Kompensati­on rufen werden.

Zu allem Überfluss entwickelt auch die Klimastrat­egie, die die Bundesregi­erung heute, Dienstag, vorstellen wird, föderales Konfliktpo­tenzial. Es waren die Vorarlberg­er Grünen, die als Erste von einem „absoluten No-Go“gesprochen haben, weil „die Länder in den Prozess nicht eingebunde­n waren“. Dies, „obwohl sie Zuständigk­eiten in wichtigen Bereichen haben, wie zum Beispiel der Raumwärme und des Energiespa­rens“, wie es in einer Aussendung heißt. Es ist davon auszugehen, dass der Unmut nicht auf die Vorarlberg­er Grünen beschränkt bleibt.

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BILD: SN/APA Wenn der Bund an den Steuereinn­ahmen herumschni­pselt, spüren das auch die Länder.
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Andreas Koller KLAR TEXT

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