Da drohen noch einige Einschnitte
Vom Pflegeregress bis zur GIS-Gebühr: Die Länder haben es nicht gern, wenn ihnen der Bund in die Tasche greift.
Da ist der Regierungsspitze doch einiges danebengegangen in puncto „Message Control“, also Kontrolle über Kommunikation und Nachrichtenfluss. Kaum war die Budgetrede Finanzminister Hartwig Lögers verklungen, meldeten sich die ersten Minister – nämlich Josef Moser, Justiz, und Mario Kunasek, Verteidigung – mit Nachforderungen ans Budget. Und Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein machte den Ländern kühn Hoffnung auf „eine zusätzliche Finanzierung seitens des Bundes“zur Abdeckung der Pflegekosten. Derlei mediale Einzelgänge ist man in der Regierung Kurz/Strache, die großen Wert legt auf ministerielle Disziplin und auf stromlinienförmigen Außenauftritt, nicht gewöhnt.
Doch jede Wette: Der führungsstarke Bundeskanzler und seine Vertrauten, die an strategischen Stellen im Kanzleramt postiert sind, werden die Miniaturrevolte in den Griff bekommen, ehe sie noch wirklich losbricht. Was die Arbeit der Regierung hingegen über kurz oder lang tatsächlich belasten könnte, findet jenseits Wiens und außerhalb des Wiener Regierungszirkels statt und ist mit den Schlagwörtern „Geld“und „Föderalismus“nur unzulänglich beschrieben. Es geht um das finanzielle Verhältnis zu den Bundesländern. Österreichs Staatsfinanzen sind ein verschlungenes System wechselseitiger Abhängigkeiten. Wenn daher der Bund an einer der zahlreichen Steuerschrauben dreht oder wenn er irgendwo im Budget eine Änderung der Ausgaben und Einnahmen vornimmt, spüren das in der Regel auch die Länder. Die, wie die Erfahrung zeigt, äußerst widerborstig sind, wenn sie das Gefühl haben, dass der Bund ihnen in die Tasche greift.
Wie an der seit Wochen wogenden Diskussion über den Pflegeregress ersichtlich ist. Der Bund hat diesen bekanntlich abgeschafft und will die Länder, die die Kosten der sozialen Wohltat zu tragen haben, mit 100 Millionen Euro abspeisen. Berechnungen des Städtebundes ergeben einen Mehraufwand von bis zu 650 Millionen. Anders als die Gesundheitsministerin, siehe oben, stellte sich der Finanzminister bisher taub. Hier schlummert Konfliktpotenzial zwischen den Ländern und der Regierung in Wien im Gesamtausmaß von rund einer halben Milliarde.
Oder der Familienbonus. Dieser ist, wie der abgeschaffte Pflegeregress, eine sinnvolle Maßnahme. Hat aber die unangenehme Nebenwirkung, dass er die Steuereinnahmen des Bundes um rund 1,2 Milliarden verringert. Da rund ein Drittel der gemeinschaftlichen Bundesabgaben in den Kassen der Länder landet, müssen sie die Wohltat der Regierung Kurz/Strache auch mit einem Drittel mitfinanzieren. Obwohl sie diese nicht beschlossen haben.
Ein weiterer Bund-Länder-Konflikt verbirgt sich in der auf Regierungsebene ventilierten Idee, den ORF künftig aus dem Bundesbudget zu finanzieren und im Gegenzug die GIS-Gebühr abzuschaffen. Auch dies würde die Länder unmittelbar betreffen. Denn diese schneiden bei den GIS-Einnahmen kräftig mit. Dem ORF bleiben von den Gebühren, die monatlich je nach Bundesland zwischen 20,93 (Vorarlberg, Oberösterreich) und 26,73 (Steiermark) betragen, nur 17,21 Euro. Den Rest teilen sich die öffentlichen Hände: Zwei Euro gehen – unter anderem als „Kunstförderungsbeitrag“– an den Bund. Bis zu 5,80 Euro des GIS-Beitrags kassieren die Bundesländer in Form einer „Landesabgabe“ein. Nur Vorarlberg und Oberösterreich verzichten auf dieses Körberlgeld, das für die Empfänger den entschiedenen Vorteil hat, dass nicht sie es eintreiben müssen, sondern die GIS. (Wodurch der Unmut der Bürger sich nicht gegen die Profiteure des Geldes richtet, sondern gegen den ORF, der gar nichts dafür kann. Aber das ist eine andere Geschichte.) Streicht nun die Regierung die GIS-Gebühren, fallen die Länder um ihr Körberlgeld um. Und werden zweifellos Kompensation durch den Bund verlangen. Es geht um rund 135 Millionen, die solcherart von den Gebührenzahlern zu den Gebietskörperschaften umverteilt werden.
Und schließlich der Plan der Regierung, die Notstandshilfe abzuschaffen und durch die Mindestsicherung zu ersetzen. Die wer zahlen muss? Die Länder, die wohl auch hier nach entsprechender Kompensation rufen werden.
Zu allem Überfluss entwickelt auch die Klimastrategie, die die Bundesregierung heute, Dienstag, vorstellen wird, föderales Konfliktpotenzial. Es waren die Vorarlberger Grünen, die als Erste von einem „absoluten No-Go“gesprochen haben, weil „die Länder in den Prozess nicht eingebunden waren“. Dies, „obwohl sie Zuständigkeiten in wichtigen Bereichen haben, wie zum Beispiel der Raumwärme und des Energiesparens“, wie es in einer Aussendung heißt. Es ist davon auszugehen, dass der Unmut nicht auf die Vorarlberger Grünen beschränkt bleibt.