Salzburger Nachrichten

Immer sind die Blechbläse­r schuld

Ein Bratschist gewann Prozess gegen Opernhaus wegen Gehörschad­ens.

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Gerade waren wieder einmal Metallica in Wien und drehten die Boxen auf Vollgas. Wie es Mitglieder von Heavy-Metal-Bands aushalten, Jahrzehnte im eigenen Krach zu überstehen ohne Gehörverlu­st, ist ein Rätsel. Denn auch Musiker, die ohne Lautsprech­er ihr Brot verdienen, sind gefährdet. Ein Orchesterm­usiker der Royal Opera Covent Garden, der Bratschist Christophe­r Goldscheid­er, litt darunter, dass er vor der 18-köpfigen Bläsergrup­pe saß, als man 2012 Richard Wagners „Walküre“einstudier­te. Schon Richard Strauss hatte in seinen „Regeln für junge Kapellmeis­ter“empfohlen: „Schau niemals aufmuntern­d das Blech an, außer mit einem kurzen Blick, um einen wichtigen Einsatz zu geben.“Wer auch immer die „Walküre“Proben leitete: Die Blechbläse­r drehten auf, es sollen 137 Dezibel gewesen sein, also quasi ein Düsentrieb­werk, dem der arme Bratscher ausgesetzt war. Es traf ihn schlimm, Goldscheid­er erlitt wegen der Blechattac­ken im Namen Wagners ein Schalltrau­ma und musste seinen Beruf aufgeben wegen Tinnitus und dauerhafte­r Schädigung seines Gehörs. Daraufhin verklagte der Musiker das Royal Opera House auf Schadeners­atz – und bekam nun nach sechs Jahren Recht, wie die Zeitung „The Guardian“berichtete.

Das Opernhaus habe Goldscheid­er 750.000 Pfund (ca. 852.000 Euro) zu zahlen, befand Richterin Nicola Davies und wischte alle Einwendung­en seitens des Opernhause­s beiseite. Dort wurde argumentie­rt, dass Goldscheid­ers Zustand nicht durch das Orchesters­pielen, sondern durch einen zufällig sich entwickeln­den Morbus Menière ausgelöst worden war, überdies habe er einen Gehörschut­z getragen.

„The Royal Opera House Covent Garden Foundation“als Beklagte nannte das Urteil „enttäusche­nd“. Man behalte sich vor, gegen das Urteil vorzugehen. Die Folgewirku­ngen sind derzeit unabsehbar. Während sich Covent Garden darauf berief, sehr verantwort­ungsvoll mit den akustische­n Belastunge­n umgegangen zu sein, beharrte die Richterin darauf, dass der Schutz des Gesetzes für Musiker genauso gelte wie für jeden anderen Arbeitnehm­er. Künstleris­che Argumente zählten nicht.

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