Lasst uns mit Leonard Bernstein feiern, trauern und beten
Zum 100. Geburtstag des US-amerikanischen Dirigenten und Komponisten kommen diverse CDs auf den Markt.
WIEN. Am 25. August 1918 wurde in Lawrence, Massachusetts, Louis Bernstein geboren, als Leonard „Lenny“Bernstein wurde er zu einem der berühmtesten Dirigenten aller Zeiten. Der 100. Geburtstag von Bernstein wird in der CD-Branche natürlich wahrgenommen, und zum Jubiläum erschien eine CD, die beide Seiten des US-Amerikaners ins Gedächtnis ruft. Bernstein war nicht nur Dirigent und begnadeter Musikvermittler, sondern auch ein außerordentlicher, fruchtbarer Komponist. Die „West Side Story“zählt sicher zu den besten Musicals, nicht nur, weil die Geschichte von der unmöglichen Liebe zwischen Tony und Maria à la „Romeo und Julia“berührend erzählt wird, sondern auch wegen der hinreißenden Musik. Sieben Nummern daraus sind jetzt auf dem Jubiläums-Sampler „Bernstein on Broadway“zu hören, Bernstein selbst dirigierte 1984 die Aufnahme mit ausgewählten Stars der Oper. Also alles andere als stimmliche Leichtgewichte, wenn man die Namen Marilyn Horne (sie singt „Somewhere“), Kiri Te Kanawa (als Maria) oder José Carreras als Tony hört. Auch Anita ist mit Tatiana Troyanos bestens besetzt.
Ebenfalls selbst am Dirigentenpult stand Leonard Bernstein bei „Candide“, das 1989 eingespielt wurde, also ein Jahr vor seinem Tod. Christa Ludwig war damals als „Old Lady“mit an Bord, Nicolai Gedda sang den Gouverneur, auch June Anderson oder Jerry Hadley zählten zur Auswahl.
Nur „On the Town“– die Seemannskomödie ist Bernsteins erstes Musical aus dem Jahr 1944 – hat sein Schützling Michael Tilson Thomas eingespielt, unter anderem mit Frederica von Stade und Thomas Hampson. Müßig zu erwähnen, dass allein die emotionale Spannbreite der „West Side Story“, vom fetzigen „Mambo“über das elegische „Somewhere“bis hin zum schmachtenden „Maria“oder dem beschwingten „I Feel Pretty“enorm weit gefasst ist. Bernstein war sicher einer, den man unwidersprochen „Genie“nennen darf und der es dennoch verstand, extrem nah an das Publikum zu rücken mit seiner Musik.
Das Gegenbeispiel ist wohl „Mass“, ein umfangreiches Konglomerat aus exzentrischen Ideen und tiefen Gedanken, aus vielerlei musikalischen Stilen und Sprachen, die Bernstein alle beherrschte. Das Theaterstück „for singers, players and dancers“, wie es im Untertitel heißt, wurde als Auftragswerk zur Einweihung des John-F.-KennedyCenters in Washington, D.C. komponiert. Was Bernstein da vorwiegend über Texte aus der römischkatholischen Liturgie – der Tenor Kevin Vortmann singt den „Zelebranten“– alles an Bekenntnismusik verfasst hat, sprengt alle Formate. Allein die Chöre! Dazu werden ein großes Orchester, zwei Chöre neben einem Kinderchor, ein Tanzensemble à la Broadway-Show, eine Blaskapelle und sogar eine Rockband hinzugezogen.
Vor zwei Jahren wurde das Riesenwerk neu aufgenommen, und als Dirigent stand ein „Sprössling“von Leonard Bernstein zur Verfügung, was die Anteilnahme und Leidenschaft an Musik und auch die Qualität der Arbeit betrifft: Yannick Nézet-Séguin weiß, wie man die Massen beflügelt und dennoch unter Kontrolle behält. Ein Dirigent, der den Geist von „Lenny“Bernstein weiterträgt. CDs: