Der Skiverband stellt das Springerteam auf neue Beine
Ernst Vettori tritt heute als sportlicher Leiter im ÖSV zurück. Neue Impulse bei den flügellahmen Adlern erhofft man sich vom ehemaligen Kombinierer Mario Stecher.
Es war eine Saison zum Vergessen für Österreichs Skispringer: Nach einer frustrierenden Vierschanzentournee, die erstmals seit 40 Jahren ohne Top-10Platz endete, und den medaillenlosen Olympischen Spielen in Pyeongchang sollten die ÖSV-Adler auch im Weltcup sieglos bleiben.
Erstmals seit 17 Jahren gelang 2017/18 kein einziger Sieg, weder in einem Einzel- noch in einem Teamspringen. Einzig Stefan Kraft war ein Ausreißer nach oben. Der Salzburger Doppelweltmeister und SkiflugWeltrekordler sorgte für acht von insgesamt neun österreichischen Podestplätzen, aber die gingen in der anhaltenden Kritik an den Leistungen der Skispringer beinahe unter.
Die Kritik kam aus quasi allen Richtungen, selbst aus dem eigenen Lager, und sie traf die Athleten genauso wie den Cheftrainer ins Mark. Die Stimmung im ÖSV-Team war zwischendurch auf dem Tiefpunkt. Tapfer beendeten die Skispringer zwar diese Horrorsaison, aber lange vor dem letzten Flug beim Weltcupfinale in Planica war klar: Dieses Springerteam braucht neue Impulse.
Die erhofft sich der ÖSV von Mario Stecher. Der ehemalige Kombinierer, zuletzt als TV-Experte für den ORF im Einsatz, soll Ernst Vettori als sportlicher Leiter für Skispringen und nordische Kombination beerben. Bekannt geben wird der Skiverband die Rochade an der Spitze heute bei einer Pressekonferenz im Sprungturm der Bergiselschanze. Wie passend. Präsident Peter Schröcksnadel, Sportdirektor Hans Pum und Vettori sind angekündigt.
Letzterem hat man die Misere des Springerteams und die öffentliche Kritik daran zuletzt deutlich angesehen. Der Skisprung-Olympiasieger von 1992 fühlte
Der sportliche Leiter geht, der Trainer bleibt. Vorerst.
sich in seiner Rolle als Gesamtverantwortlicher sichtlich unwohl. Gescheitert ist Vettori aber gewiss nicht am fehlenden Know-how. Als einem der nettesten Menschen, die im ÖSV arbeiten, wie ihm von allen Seiten attestiert wird, fehlte es ihm vielmehr an der nötigen Härte und Durchschlagskraft, die dieser Job mitunter verlangt.
Vettori, 53, seit 2010 in dieser Funktion tätig, stellt sich seiner Verantwortung. Anders als im Profifußball ist es bei den Skispringern nicht der Trainer, der als Erster seinen Hut nimmt, sondern der sportliche Leiter. Heinz Kuttin bleibt (vorerst) im Amt. Der zweifache Team-Olympiasieger Mario Stecher hat nun einige Wochen Zeit, um die Situation zu evaluieren, und soll danach eine Entscheidung treffen, ob der Skiverband mit Kuttin oder einem neuen Cheftrainer in die Zukunft gehen sollte. Der neue sportliche Leiter wird gut darin beraten sein, wenn er auf das Können Kuttins vertraut und auf seine stets ruhige, offene und faire Art setzt. Rückendeckung erhält Heinz Kuttin auch von den Athleten selbst.
Allerdings darf Stecher nicht außer Acht lassen, dass es auch an Kuttin selbst liegen wird, ob er diesen Job überhaupt noch will. Bereits im vergangenen Jahr soll er ein Vertragsangebot über weitere vier Jahre ausgeschlagen und nur für ein Jahr verlängert haben. Vielleicht hat Kuttin damals schon gespürt, dass nicht alle im ÖSV an einem Strang ziehen. Seinen Adlern wurden in einem feinfühligen Sport wie dem Skispringen so die Flügel gestutzt. Oder wie es Manuel Fettner, 27. im Gesamtweltcup, nach dem Saisonfinale formulierte: „Heuer haben wir scheinbar geschlossen in die falsche Richtung Gas gegeben.“