Parlament soll um ein Drittel schrumpfen Frankreichs Präsident hält Kurs
Ungeachtet der Streiks der Bahngewerkschafter legt Frankreichs Regierung ihr nächstes Projekt vor. Diesmal geht es um eine Staatsreform.
PARIS. Frankreichs Regierung knickt nicht ein. Angesichts der nächsten Streikwelle im Bahnverkehr sagte Premierminister Édouard Philippe am Donnerstag dem Sender France Inter, an der Reform der hochverschuldeten Staatsbahn SNCF werde festgehalten. Er sei offen für Gespräche über das Tempo des Sanierungskurses, sagte Philippe. „Aber nur wenn es klare Bekenntnisse zu Reformen im Betrieb gibt.“Dienstag und Mittwoch hatten Streiks große Teile des Bahnverkehrs lahmgelegt und Millionen Pendler getroffen. Am Sonntag soll ein neuer Ausstand folgen. Die Streiks werden laut Gewerkschaften über drei Monate laufen, wobei an jeweils zwei Tagen innerhalb von fünf Tagen gestreikt werden soll.
Davon unbeeindruckt legte Präsident Emmanuel Macron sein nächstes im Wahlkampf versprochenes Projekt vor. Premier Philippe präsentierte die Vorschläge zu einer Staatsreform. Ziel sei es, die „Institutionen effizienter zu machen“und die „politische Vielfalt“besser zu repräsentieren.
Umstrittenster Punkt ist eine drastische Verkleinerung des Parlaments. Beabsichtigt ist, die Zahl der Mitglieder der Nationalversammlung von 577 auf 403 zu reduzieren und die der Senatoren von 348 auf 244. Die Zahl der Parlamentarier insgesamt würde sich damit von derzeit 925 um rund ein Drittel auf 647 verringern. Auf die Bevölkerungszahl umgerechnet würde Frankreich damit laut der Zeitung „Le Monde“hinter Russland, Spanien und Deutschland den vierten Platz in der Größe der parlamentarischen Repräsentanz einnehmen.
Die Auflockerung des geltenden Mehrheitswahlrechts durch einen Schuss Verhältniswahlrecht würde etwa 60 Abgeordnetensitze betreffen. Sie könnten vor allem an kleinere Parteien am linken oder rechten Rand des politischen Spektrums fallen.
Daneben enthält der Plan der Regierung das Vorhaben, die zeitliche Aufeinanderfolge von Mandaten lokaler Amtsträger auf drei Wahlperioden zu beschränken.
Schließlich soll der Gerichtshof der Republik, eine 1993 geschaffene Sondergerichtsbarkeit, abgeschafft werden. Dieser Gerichtshof ist für Straftaten zuständig, die Minister im Amt begangen haben. Sie sollen sich künftig wie jeder Bürger vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit verantworten müssen.
Der Wirtschafts- und Sozialrat, ein kostspieliges, aber wenig effizientes Beratungsgremium, soll um die Hälfte verkleinert werden.
Und frühere Staatspräsidenten sollen nicht mehr automatisch dem Verfassungsgericht angehören.
An der Realität der französischen Verfassungspraxis mit einem mächtigen Staatspräsidenten, einer von ihm dominierten Regierung und einem Parlament, das im Wesentlichen der Regierung folgt, würde sich mit dieser wichtigsten Reform seit Gründung der V. Republik nach dem Urteil der Zeitung „Le Figaro“nicht viel ändern. Der von General de Gaulle 1958 gewollte starke Staat bliebe im Kern erhalten.
Viel Geld ließe sich mit den geplanten Maßnahmen auch nicht einsparen. Dennoch hat sich im Vorfeld der nun beginnenden Debatte bereits ein heftiges Tauziehen zwischen Regierung und Opposition ergeben. Ihr Wortführer ist Gérard Larcher, der Präsident des von der konservativen Opposition beherrschten Senats. Er lehnt die Verringerung der Zahl der Parlamentarier um ein Drittel kategorisch ab und will auch nichts von Proportionalität im Wahlrecht wissen.
Unter den Abgeordneten im Palais Bourbon geht die Sorge um Besitzstandswahrung um. Von einer Zustimmung des Parlaments zu seinen Plänen ist Macron noch weit entfernt.