Das Leben ist ein einsamer Balanceakt
Anton Romako war ein Einzelgänger der österreichischen Kunstgeschichte. Eine Ausstellung zeigt nun seine ganze Bandbreite.
WIEN. Vor vielen Bildern staunt man, manche aber berühren. Kinder hat Anton Romako viele gemalt, aber das Mäderl, das da einsam über den rauschenden Gebirgsbach balanciert, löst Urinstinkte aus. Wird das Kind fallen, will es gar springen? Anton Romako hatte einen Blick für das Existenzielle, zumindest in seinen späten Schaffensjahren nach einem Leben voller Wendungen und Wanderungen.
Das Leopold Museum zeigt eine große Retrospektive und nennt die Schau nicht umsonst „Beginn der Moderne“. Die Biografie des 1832 in gutbürgerlichen Verhältnissen geborenen, allerdings früh verwaisten Romako weist zahlreiche Brüche auf. In Wien und danach in München wurde er zum Historienmaler ausgebildet, nach einem Aufenthalt in Venedig zog er nach Rom, wo er zwanzig Jahre lang lebte. Es waren seine glücklichsten Jahre. Seine Genrebilder und Porträts waren begehrt, seiner Hochzeit mit der reichen Sophie Köbel wohnte Franz Liszt bei, fünf Kinder kamen zur Welt. Dann allerdings verließ die Gattin den Maler und die Kinder, um mit einem anderen Mann, einem Bankier, in Istanbul ihr Glück zu suchen. Die fünf Kinder allein durchzubringen fiel Romako nicht leicht.
Ende 1876 zog er nach Wien zurück, nur die drei jüngsten Töchter blieben in Rom. Zwei davon begingen tragischerweise aus unglücklicher Liebe Selbstmord, gemeinsam mit einem jungen italienischen Architekten. Trotz seines Netzwerks und der Zuwendung durch seinen Bruder blieb Romako in Wien ein Einzelkämpfer. Als Hans Makart starb, kam Hoffnung auf. Das wichtigste Bild der „Ringstraßenzeit“wurde für die Ausstellung vom Belvedere entlehnt. Ja, dort geht man zu Klimts „Kuss“, aber es gibt noch ein Bild, das man gesehen haben muss: „Tegetthoff in der Seeschlacht von Lissa“, ein faszinierendes Werk, das Romako da gelungen ist. Breitbeinig steht der Admiral da mit seinen Offizieren und Matrosen, es ist der Moment, bevor die „SMS Erzherzog Ferdinand Max“das Flaggschiff der italienischen Marine rammt. Die Gesichter lassen einen nicht los. Dass dieses Bild bei der Internationalen Kunstausstellung im Künstlerhaus vernichtende Kritiken erfuhr, gehörte schon fast zur publizistischen Folklore, denn an Romako arbeiteten sich die damaligen Kritiker spitzzüngig ab.
Als „Sinnbild des Willens“bezeichnete Elisabeth Leopold bei der Presseführung am Donnerstag dieses Porträt von Tegetthoff aus dem Jahr 1866. Ihr Gatte und Museumsahnherr Rudolf Leopold habe früh die Stärken des beinahe vergessenen Anton Romako erfasst und bereits in den 50er-Jahren angefangen zu sammeln. Allein zwölf der Bilder stammen aus der Sammlung Leopold bzw. Leopold II.
Unter den zahlreichen Porträts fallen zwei Bilder eines Ehepaares auf. Elisabeth Leopold wollte, wie sie erzählte, das Porträt von Isabella Reisser haben, der Gatte bevorzugte den Gemahl Christoph Reisser – und kaufte beide. Erstaunlich, wie die Detailtreue des Isabella-Porträts, das geradezu an eine Karikatur erinnert, keinerlei Schönheitsideal nachläuft. Imposant stellt sich dagegen Christoph Reisser, technischer Direktor der „Neuen Freien Presse“, samt Orden und Zeitung ins Bild. Auch ein Porträt der Gräfin Kuefstein enthüllt raffiniert, dass Schönheit verblühen kann, was Romako mit Blumen und Schleier und dickem Schmuck mehr betont, als kaschiert. Im Adel fanden sich noch Auftraggeber, aus der Salzburger Residenzgalerie stammt das Porträt eines rauchenden jungen Schnösels. Ein im Auftrag der Stiftung Mozarteum gemaltes – nicht ausgestelltes – Bild „Mozart am Spinett“glänzt übrigens durch feine Ironie.
Ein Aufenthalt im Gasteiner Tal beflügelte Anton Romako zu menschenleeren Landschaften bei wechselnden Lichtverhältnissen. Er war in vielen Stilen zu Hause, Kuratorin Marianne Hussl-Hörmann bezeichnet ihn als „kompromisslos gegen den Zeitgeschmack“und als „Phänomen des Übergangs“. Dennoch habe er auch seine Wurzeln im katholischen österreichischen Barock, allerdings habe er eine säkularisierte Variante entwickelt.
Fest steht, dass er auch in manch Bildern die Moderne vorausahnte. Nicht zuletzt ein Oskar Kokoschka bezeichnete Anton Romako, der 1889 verarmt, ja verschuldet in Wien starb, als „Urahne“. Er hinterließ jedenfalls ein Werk, das „sowohl autonom besteht, als auch weit ins 20. Jahrhundert, in die Moderne, verweist“, wie es der Experte Herbert Giese im Katalogbuch so treffend ausdrückt.