Qualität, nicht Goldlack auf dem Cover
Von der Beschaffenheit der DNA einer deutschen Publikumszeitschrift erzählt deren Chefredakteur ebenso wie über die Konkurrenz zwischen Online und Print und die Grenzen der Privatsphäre von Prominenten.
Die „Bunte“-Illustrierte ist ein angesehenes Publikumsmagazin aus Deutschland. Wie die Tageszeitungen stehen im Nachbarland auch Zeitschriften im Bann der Digitalisierung und des Wegbrechens von Printanzeigen. In Österreich verzeichnet die jüngste Media-Analyse (siehe Bericht auf dieser Seite) herbe Defizite bei Zeitschriften wie „News“oder „tv media“. Der aktuelle Redaktionsleiter und Nachfolger der legendären Chefredakteurin Patricia Riekel, Robert Pölzer, gab den SN Auskunft über die Situation dieser Branche und seines Blattes. SN: Wie die ganze Printbranche stehen auch Illustrierte, People-Magazine und Frauenzeitschriften unter Druck, in Deutschland viel stärker als in Österreich. Wie kämpfen Sie gegen Auflagen- und Leserschwund? Robert Pölzer: Die „Bunte“leidet glücklicherweise nicht an Auflagenund Leserschwund, sondern entwickelt sich gegen den Trend sehr stabil. Bei der Reichweite konnten wir uns steigern und haben seit der letzten Erhebung 170.000 Leser dazugewonnen und erreichen jede Woche 4,6 Millionen Menschen alleine in Deutschland. Von einem Kampf kann man ohnehin nicht sprechen. So ein PeopleMagazin jede Woche zu gestalten ist ein Vergnügen. Die „Bunte“ist weit mehr als eine Zeitschrift, die über Prominente berichtet. Sie ist Teil der Lebenswelt unserer Leserinnen geworden. SN: Wie haben die „Bunte“und die viel jüngere „Gala“das Illustriertensterben (etwa von „Quick“, „Neue Revue“, aber auch der deutschen USAbleger „People“und „Vanity Fair)“überlebt? Ich kann nur für die „Bunte“sprechen. Im Unterschied zu vielen Marktbegleitern beobachten wir nicht nur von außen, sondern berichten aus der Mitte der Gesellschaft. Das Magazin ist Teil dieser Gesellschaft. Auf- und Abstiegsprozesse widerzuspiegeln, gehört zur DNA von „Bunte“. Es geht den Fans darum, gesellschaftsprägende Menschen besser kennenzulernen. Dazu zählen Schauspieler und Musiker genauso wie Politiker und Wirtschaftslenker, die unser Leben beeinflussen. Und dieses Bedürfnis bedient das Blatt. SN: War die Strategie der „Bunten“, auf nackte Haut und schlüpfrige Themen und Bilder zu verzichten und damit seriöser als andere zu wirken, jemals in Gefahr? Es war in den ganzen sieben Jahrzehnten niemals notwendig, in diesen Bereich abzugleiten. Die konzeptionelle Kontinuität, mit der alle Chefredakteure das Blatt geleitet haben, hat die Attraktivität und Verlässlichkeit beim Konsumenten gestärkt. Der Leser erkennt jede Effekthascherei und nimmt diese sehr übel. SN: Wie wichtig sind Onlineangebote für Publikumszeitschriften? Für die Marke „Bunte“ist es wichtig und sehr erfreulich, dass der Onlineauftritt bunte.de erfolgreich und professionell gemacht ist. Onlineangebote für Publikumszeitschriften sind heutzutage essenziell, wenn sie nicht nur das Heft ins Netz übertragen. Durch die Website werden neue und junge Leser herangeführt. Mit der Marke „Bunte“erreichen wir crossmedial, also über das Magazin, die Website und die Social-Media-Kanäle rund 15 Millionen Menschen im Monat. SN: Die „Bunte“hatte früher mehr politische Themen. Sie waren breiter gestreut, gingen tiefer und bewirkten mehr (Scharping!). Wollte man sich damals mit dem „Stern“messen, oder ist Politik abseits der Personality inzwischen nicht mehr so zugkräftig? „Bunte“ist ein People-Magazin, kein reines Politikmagazin. Wir führen regelmäßig große Interviews mit Politikern und zeigen darin stets die persönliche Seite der jeweiligen Person. Die Leser möchten wissen, wer der Mensch hinter dem Politiker ist, den sie wählen sollen. Der Eindruck, dass „Bunte“heute weniger über politische Persönlichkeiten berichtet, ist nicht ganz richtig. Das Gegenteil ist der Fall. Immer mehr Politiker aller Parteien werden berücksichtigt, gemäß unserer Maxime, gesellschaftsprägende Menschen vorzustellen. SN: Wo verläuft für ein seriöses Blatt die Grenze zwischen rein Privatem (einem Tabu für die Presse) und Wissenswertem? Aus Rücksichtnahme auf das Persönlichkeitsrecht, das die Privatsphäre schützt, haben wir schon auf so manche gute Story verzichtet. Wenn wir Auseinandersetzungen mit Prominenten haben, geht es hierbei fast nie um die Frage, ob eine Geschichte inhaltlich wahr ist. Es geht stets darum, ob das Persönlichkeitsrecht verletzt wurde oder nicht. Die Grenze des Persönlichkeitsrechts verläuft bei jeder öffentlichen Persönlichkeit individuell. Es unterliegt einer Einzelfallbetrachtung. Wenn ich beispielsweise in einer Beziehung lebe, die nach außen die innige und wundervolle Liebe propagiert, während hinter verschlossenen Türen häusliche Gewalt herrscht, darf ich dann überrascht sein, wenn das jemand berichtet? SN: Kann man auf Papier gegenüber online punkten? Einem hochwertigen Produkt sollte man seine Qualität inhaltlich und haptisch anmerken. Aber wenn die inhaltliche Qualität fehlt, hilft nicht einmal Goldlack auf dem Cover. SN: Ist es bei Ihnen ein Thema, Titelseiten von Woche zu Woche ganz anders aussehen zu lassen? Manche Magazine präsentieren jede Ausgabe fast gleich. Bei uns bestimmt die in der jeweiligen Woche interessanteste Geschichte den Titel. Im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit im Zeitschriftenregal muss die Zeitschrift aber vor allem wiedererkennbar sein. Die Käuferin muss sie schnell finden können. Das wird erschwert, wenn der Titel jede Woche gänzlich anders aussieht. SN: Wie viele Männer lesen Ihr Blatt? Von 4,6 Millionen Lesern sind laut MA 2017 3,74 Millionen Frauen. SN: Sehen Sie Ihr Magazin in zwanzig Jahren noch am Kiosk oder im Briefkasten oder nur mehr im Netz? Ich sehe die „Bunte“auch in zwanzig Jahren noch an der Spitze der People-Magazine und selbstverständlich am Kiosk und in den Briefkästen unserer Abonnenten. Sie wird vor allem durch bunte.de und hinzukommende Kanäle noch weiter an Reichweite und gesellschaftlicher Bedeutung gewinnen. Robert Pölzer, 56, seit 1. Juli 2016 Chefredakteur der „Bunten“, war zuvor Chef der „Freizeit Revue“, der „Neuen Revue“und stellvertretender Chefredakteur von „Bild“. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern am Starnberger See.