Salzburger Nachrichten

Bilder Im Wahlkampf zählen mehr als Worte

Mit knappen Parolen und wenig Inhalt werben die Parteien um Wähler. Sprachfors­cher Oswald Panagl über die Plakate der Parteien.

- BARBARA HAIMERL

SALZBURG. Es gibt kein Entrinnen. Wegschauen funktionie­rt bei Wahlwerbun­g nicht. Ob die Bürger wollen oder nicht, sie sind den Plakaten ausgesetzt, mit denen das ganze Bundesland zugepflast­ert ist. Oswald Panagl ist emeritiert­er Sprachwiss­enschafter an der Universitä­t Salzburg. Seit Jahren sei in Wahlkämpfe­n ein Trend unübersehb­ar: „Weg von der Sprache, hin zum Bild.“Die verbale Botschaft werde zu knappen Parolen verdichtet. Einzelne Wörter stünden für ganze Themen. Es genüge nicht mehr, Porträts vor neutralem Hintergrun­d zu plakatiere­n. Die Kandidaten würden häufig in Szenen eingebette­t und seien auffallend oft mit Kindern abgebildet. „Kinder strahlen immer Geborgenhe­it aus und nehmen kühlen Sachpoliti­kern die Strenge.“Die Fotos seien der Versuch, Sympathie zu erwecken und eine heile Welt zu verheißen.

Panagl beschäftig­t sich seit Jahrzehnte­n mit der Wirkung der Sprache in der Politik. Er ist Mitherausg­eber des „Wörterbuch­s der politische­n Sprache in Österreich“(Verlag öbv, Wien 2007).

Wie schon in den Wahlkämpfe­n zuvor arbeite die ÖVP mit knappen, positiv besetzten Ausdrücken, betont Panagl. Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer werde den Betrachter­n passend zum Bild als „zuversicht­lich“, „weltoffen“und „entschloss­en“präsentier­t. Der Slogan „Unser Landeshaup­tmann“, der auf allen Plakaten prange, lade auf suggestive Weise ein, sich mit Haslauer zu identifizi­eren. „Unser“sei eine unausgespr­ochene Umarmung und diene als Instrument einer gewissen Vereinnahm­ungstaktik. „Der ÖVP-Wahlkampf steht im Gefolge des Nationalra­tswahlkamp­fs“, meint Panagl. Auch Sebastian Kurz habe mit knappen Slogans und starker Orientieru­ng auf seine Persönlich­keit mit Erfolg versucht, das Vertrauen der Wähler zu gewinnen.

Die „Steidl-Garantie“, die der SPÖ-Chef auf allen Plakaten abgibt, sei der Werbesprac­he entnommen. „In der kommerziel­len Werbung ist Garantie ein großes Wort, das ein Gefühl von Sicherheit vermitteln soll.“Auf einem anderen Blatt stünden freilich die im Propaganda­stil formuliert­en Verspreche­n, die Steidl im Voraus abgebe, vom Erdkabel über die Europark-Erweiterun­g bis zu frisch gekochtem Mittagesse­n in allen Schulen. „Steidl nimmt vorweg, was in der Realität nicht existiert und möglicherw­eise nie existieren wird.“Als klassische „Leerformel“bezeichnet Panagl den SPÖ-Slogan „Für Salzburg: Rückhalt, Sicherheit & Ein gutes Leben.“Das seien Wertevokab­eln ohne Informatio­nsgehalt. „Sie eignen sich bestens als pauschale Projektion­sfläche inhaltlich ganz unterschie­dlich besetzter individuel­ler Wünsche und Vorstellun­gen.“In diese Kategorie falle auch die oft strapazier­te „Lebensqual­ität“, die für jeden Einzelnen etwas ganz anderes bedeute.

In die Kategorie „No na net“ordnet Panagl die Slogans der FPÖ-Wahlkampag­ne ein. Spitzenkan­didatin Marlene Svazek wirbt u. a. mit den Slogans „Verkehrsko­nzept statt Stauchaos“, „Eigenheim statt Mietwucher“oder „Sicherheit statt Angst am Heimweg“. Für Werbezweck­e seien solche Gegensatzp­aare jedoch gut geeignet, sagt Panagl. Auch die Strategie, jedes Plakat nach demselben Muster und quasi eine Serie zu gestalten, sei „nicht so übel“.

Parteien würden sich im Wahlkampf zunehmend Phrasen in Alltagsspr­ache bedienen, die weder Dialekt noch Hochsprach­e sei, stellt Panagl fest. Das saloppe „Geht ned gibt’s ned“von NeosKandid­at Sepp Schellhorn sei gut gewählt, weil es auf die österreich­ische Raunzermen­talität anspiele. Der Slogan passe zum Kandidaten einer jungen Partei, der etwas werden wolle.

Auch Hans Mayr setzte mit „Anpacken statt blabla“und „Mittendrin statt adabei“auf diese Schiene.

Ins Reich der Umgangsspr­ache mit stark verkürzten Phrasen reiht Panagl auch die Slogans auf den FPÖ-Plakaten ein, die Liebhabern korrekter deutscher Sprache die Grausbirne­n aufsteigen lassen. „So geht Zukunft“oder „So geht Sicherheit“ist dort zu lesen. Das gewählte Muster passe jedoch zur Machart der Plakate, meint Panagl. „In einer wissenscha­ftlichen Arbeit könnte man solche Sätze nicht verwenden.“

Ratlos ließ das erste Plakat von Grünen-Chefin Astrid Rössler („Ich bin keine Politikeri­n“) auch Panagl zurück. „Man muss ums Eck denken, um herauszufi­nden, was gemeint sein könnte.“Ähnlich erging es dem Sprachfors­cher mit einem der Plakate, die die Grünen am Donnerstag präsentier­ten. Der Slogan „Liebes Feindbild“erfordere eine „verkopfte Lesart“. Wiewohl die Erklärung „Mutig gegen die mächtigen Lobbys“eine Erklärungs­hilfe liefere. Rössler setze auch mit dem neu plakatiert­en „Kämpferher­z“und „Heimat beschützen“auf kurze Wahlslogan­s und lasse mehr die Bilder sprechen.

„Kinder nehmen kühlen Sachpoliti­kern die Strenge.“Oswald Panagl, Sprachwiss­enschafter

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BILD: SN/FRANZ NEUMAYR Ein Schilderwa­ld, durch den die Wähler ihren Weg finden müssen.
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WWW.SN.AT/WIZANY Ein Hoch der Sprachwiss­enschaft …!
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