Bilder Im Wahlkampf zählen mehr als Worte
Mit knappen Parolen und wenig Inhalt werben die Parteien um Wähler. Sprachforscher Oswald Panagl über die Plakate der Parteien.
SALZBURG. Es gibt kein Entrinnen. Wegschauen funktioniert bei Wahlwerbung nicht. Ob die Bürger wollen oder nicht, sie sind den Plakaten ausgesetzt, mit denen das ganze Bundesland zugepflastert ist. Oswald Panagl ist emeritierter Sprachwissenschafter an der Universität Salzburg. Seit Jahren sei in Wahlkämpfen ein Trend unübersehbar: „Weg von der Sprache, hin zum Bild.“Die verbale Botschaft werde zu knappen Parolen verdichtet. Einzelne Wörter stünden für ganze Themen. Es genüge nicht mehr, Porträts vor neutralem Hintergrund zu plakatieren. Die Kandidaten würden häufig in Szenen eingebettet und seien auffallend oft mit Kindern abgebildet. „Kinder strahlen immer Geborgenheit aus und nehmen kühlen Sachpolitikern die Strenge.“Die Fotos seien der Versuch, Sympathie zu erwecken und eine heile Welt zu verheißen.
Panagl beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Wirkung der Sprache in der Politik. Er ist Mitherausgeber des „Wörterbuchs der politischen Sprache in Österreich“(Verlag öbv, Wien 2007).
Wie schon in den Wahlkämpfen zuvor arbeite die ÖVP mit knappen, positiv besetzten Ausdrücken, betont Panagl. Landeshauptmann Wilfried Haslauer werde den Betrachtern passend zum Bild als „zuversichtlich“, „weltoffen“und „entschlossen“präsentiert. Der Slogan „Unser Landeshauptmann“, der auf allen Plakaten prange, lade auf suggestive Weise ein, sich mit Haslauer zu identifizieren. „Unser“sei eine unausgesprochene Umarmung und diene als Instrument einer gewissen Vereinnahmungstaktik. „Der ÖVP-Wahlkampf steht im Gefolge des Nationalratswahlkampfs“, meint Panagl. Auch Sebastian Kurz habe mit knappen Slogans und starker Orientierung auf seine Persönlichkeit mit Erfolg versucht, das Vertrauen der Wähler zu gewinnen.
Die „Steidl-Garantie“, die der SPÖ-Chef auf allen Plakaten abgibt, sei der Werbesprache entnommen. „In der kommerziellen Werbung ist Garantie ein großes Wort, das ein Gefühl von Sicherheit vermitteln soll.“Auf einem anderen Blatt stünden freilich die im Propagandastil formulierten Versprechen, die Steidl im Voraus abgebe, vom Erdkabel über die Europark-Erweiterung bis zu frisch gekochtem Mittagessen in allen Schulen. „Steidl nimmt vorweg, was in der Realität nicht existiert und möglicherweise nie existieren wird.“Als klassische „Leerformel“bezeichnet Panagl den SPÖ-Slogan „Für Salzburg: Rückhalt, Sicherheit & Ein gutes Leben.“Das seien Wertevokabeln ohne Informationsgehalt. „Sie eignen sich bestens als pauschale Projektionsfläche inhaltlich ganz unterschiedlich besetzter individueller Wünsche und Vorstellungen.“In diese Kategorie falle auch die oft strapazierte „Lebensqualität“, die für jeden Einzelnen etwas ganz anderes bedeute.
In die Kategorie „No na net“ordnet Panagl die Slogans der FPÖ-Wahlkampagne ein. Spitzenkandidatin Marlene Svazek wirbt u. a. mit den Slogans „Verkehrskonzept statt Stauchaos“, „Eigenheim statt Mietwucher“oder „Sicherheit statt Angst am Heimweg“. Für Werbezwecke seien solche Gegensatzpaare jedoch gut geeignet, sagt Panagl. Auch die Strategie, jedes Plakat nach demselben Muster und quasi eine Serie zu gestalten, sei „nicht so übel“.
Parteien würden sich im Wahlkampf zunehmend Phrasen in Alltagssprache bedienen, die weder Dialekt noch Hochsprache sei, stellt Panagl fest. Das saloppe „Geht ned gibt’s ned“von NeosKandidat Sepp Schellhorn sei gut gewählt, weil es auf die österreichische Raunzermentalität anspiele. Der Slogan passe zum Kandidaten einer jungen Partei, der etwas werden wolle.
Auch Hans Mayr setzte mit „Anpacken statt blabla“und „Mittendrin statt adabei“auf diese Schiene.
Ins Reich der Umgangssprache mit stark verkürzten Phrasen reiht Panagl auch die Slogans auf den FPÖ-Plakaten ein, die Liebhabern korrekter deutscher Sprache die Grausbirnen aufsteigen lassen. „So geht Zukunft“oder „So geht Sicherheit“ist dort zu lesen. Das gewählte Muster passe jedoch zur Machart der Plakate, meint Panagl. „In einer wissenschaftlichen Arbeit könnte man solche Sätze nicht verwenden.“
Ratlos ließ das erste Plakat von Grünen-Chefin Astrid Rössler („Ich bin keine Politikerin“) auch Panagl zurück. „Man muss ums Eck denken, um herauszufinden, was gemeint sein könnte.“Ähnlich erging es dem Sprachforscher mit einem der Plakate, die die Grünen am Donnerstag präsentierten. Der Slogan „Liebes Feindbild“erfordere eine „verkopfte Lesart“. Wiewohl die Erklärung „Mutig gegen die mächtigen Lobbys“eine Erklärungshilfe liefere. Rössler setze auch mit dem neu plakatierten „Kämpferherz“und „Heimat beschützen“auf kurze Wahlslogans und lasse mehr die Bilder sprechen.
„Kinder nehmen kühlen Sachpolitikern die Strenge.“Oswald Panagl, Sprachwissenschafter