Spaniens Justiz blitzt ab
Deutsche Richter öffnen die Gefängnistore für den katalanischen Separatistenführer Carles Puigdemont. Ausgeliefert werden könnte er nur noch wegen Veruntreuung.
Der katalanische Separatistenchef Carles Puigdemont kann aufatmen. Nach der Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) darf er nicht wegen des Vorwurfs der Rebellion an die spanische Justiz ausgeliefert werden. Ihm hätten bis zu 30 Jahre Haft gedroht.
Das OLG hatte zu prüfen, ob es für den Tatbestand der Rebellion im deutschen Recht eine Entsprechung gibt. In diesem Fall hätte Puigdemont ausgeliefert werden müssen. Zwar gibt es im deutschen – sowie im österreichischen – Recht den Straftatbestand des Hochverrats, der dem der spanischen „Rebellion“entspricht, und es ist auch jeweils die Anwendung von Gewalt Voraussetzung, damit der Tatbestand erfüllt ist.
Hier endet nach Ansicht des deutschen Gerichts aber die Vergleichbarkeit. Nach deutscher Rechtsprechung müsse das „Merkmal der Gewalt“derart massiv sein, dass der Wille der Regierung gebeugt werden könne, betonte das OLG. Davon könne aber im Fall Puigdemont nicht die Rede sein. Zwar seien ihm „als Verfechter der Umsetzung des Referendums die am Wahltag stattgefundenen Gewalttätigkeiten zuzurechnen“. Allerdings sei dies nicht geeignet gewesen, Madrid „zur Kapitulation vor der Forderung der Gewalttäter“zu zwingen – weswegen der deutsche Hochverratsparagraf auf Puigdemont nicht anwendbar sei. Spaniens Ankläger dagegen hatte argumentiert, bereits die billigende Inkaufnahme von Gewalt reiche aus, um sich der Rebellion strafbar zu machen. Wegen Rebellion wird Carles Puigdemont also nicht ausgeliefert. Bleibt der Vorwurf der Veruntreuung von öffentlichen Geldern. Hier sei eine Auslieferung zulässig, hieß es, obwohl die Richter in dieser Frage und vor einer endgültigen Entscheidung noch Klärungsbedarf sehen und weitere Informationen aus Madrid angefordert haben. Veruntreuung kann in Spanien in besonders schweren Fällen mit bis zu zwölf Jahren Gefängnis bestraft werden.
Die Behauptung Puigdemonts, er werde aus politischen Gründen verfolgt, wurde von den deutschen Oberlandesrichtern nicht geteilt. Wenn jemand wegen seiner politischen Anschauung strafrechtlich verfolgt wird, wäre eine Auslieferung grundsätzlich unzulässig.
Spaniens Justiz dürfte jedenfalls nicht sehr glücklich über die Vorentscheidung der deutschen Kollegen sein. Denn im Fall einer Auslieferung Puigdemonts würde sich eine paradoxe Situation ergeben: Jenen katalanischen Separatistenführern, die bereits in Spanien in Untersuchungshaft sitzen, kann wegen Rebellion der Prozess gemacht werden. Doch der Mann, der als Kopf der illegalen Unabhängigkeitsbeschlüsse gilt, darf nur wegen Veruntreuung angeklagt werden.
Puigdemont wurde inzwischen in Deutschland gegen Leistung einer Kaution in Höhe von 75.000 Euro auf freien Fuß gesetzt. Er darf Deutschland nicht verlassen, muss jeden Wechsel seines Aufenthaltsortes melden, ein Mal pro Woche bei der Polizei erscheinen und parat sein, wenn er von der Justiz vorgeladen wird.