Das Thema der Woche
Heute wollen wir der gar nicht mehr so neuen, sondern bereits seit magischen 111 Tagen im Amte befindlichen Regierung bei der Arbeit zusehen. Am meisten gelobt wird ja ihre erstaunliche kommunikationstechnische Fähigkeit, das jeweilige Thema der Woche vorzugeben, um das sich in der Republik fortan alles dreht. Und das geht so:
Am Freitagabend raunt ein Sekretär des Bundeskanzlers dem Journalisten einer Boulevardzeitung zu, dass das Wetter am Wochenende auch besser sein könnte. Samstag früh erscheint das Blatt mit einem Bikini-Mädchen auf der Titelseite und dem Bildtext: „Sonne am Sonntag! Yvonne freut sich über den neuen Geheimplan der Regierung!“Samstagnachmittag veröffentlicht eine zweite Boulevardzeitung eine Fotomontage mit Kanzler Kurz und Vizekanzler Strache in Badehosen. Eine dritte Boulevardzeitung bringt ein Exklusivinterview mit dem bekannten SonnenscheinExperten Stefan Petzner.
Samstagabend berichtet die „Zeit im Bild“über erste Widerstände gegen die neuen Regierungspläne und interviewt den Sprecher der Regenschirmmacherinnung. Am Sonntag melden sich besorgte Vertreter der Landwirtschaft zu Wort und fordern finanzielle Entschädigungen für den Regen-Ausfall am Wochenende. Vertreter der Tourismuswirtschaft hingegen rechnen dank eines energisch durchgezogenen Wolkenverbots an Sonntagen mit einem Nächtigungsplus von 0,5 Prozent.
Am Sonntagabend findet im ORF ein „Runder Tisch“zum Thema „Sonne am Sonntag – Fluch oder Segen?“unter der Leitung von Walter Sonnleitner statt. Vor dem ORF-Zentrum demonstrieren 100 aufgebrachte Sonnenallergiker.
Montag früh deckt die SPÖ-Zentrale auf, dass die ÖVP im Wahlkampf eine großzügige Spende der SonnencremeLobby erhalten habe, und drängt auf einen Untersuchungsausschuss. Am Mittwoch enthüllt ein bekanntes Aufdeckermagazin, dass Heinz-Christian Strache den Bruder des Schwagers der Schwester eines Betreibers einer heimischen Photovoltaik-Anlage kennt.
Dazwischen – am Dienstag – mahnt der Bundespräsident bei der Eröffnung einer Gartenbaumesse zu einem wertschätzenden Umgang mit den Schattenseiten des Lebens. Der Wiener Erzbischof begrüßt die Sonnenpläne der Regierung und fordert deren Ausdehnung auf sämtliche kirchlichen Feiertage, insbesondere Fronleichnam.
Die Caritas zeigt sich mit den Äußerungen des Kardinals unglücklich und erinnert an die Menschen, die sich keine Sonnenhüte leisten können. Namhafte Rechtsexperten äußern sich skeptisch, ob der Plan der Regierung mit der Wetterrichtlinie der EU vereinbar ist.
Am Donnerstag beruft die Liste Pilz eine Sondersitzung des Nationalrats zum Thema „Dunkle Flecken auf der Sonne“ein. Zu deren dringend notwendigen Aufklärung kündigt Listengründer Peter Pilz seine Rückkehr in den Nationalrat an. Vor Sitzungsbeginn umarmt Neos-Chef Matthias Strolz ein Nachtschattengewächs. Im Verlauf der Sitzung bringt die ÖVP einen Entschließungsantrag auf Umbenennung des Bundeskanzlers in Sonnenkönig ein.
Am Freitag steuert die Debatte schließlich ihrem Höhepunkt zu. Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache geben drei Dutzend exklusive Doppel-Interviews, in denen sie sich bezüglich Sonnenpflicht am Sonntag eher bedeckt halten, dafür aber mit der Ankündigung aufhorchen lassen, dass sie ihren mutigen Plan zur Erneuerung Österreichs weiterhin entschlossen umsetzen werden.
Am Freitagabend lässt ein Sekretär des Bundeskanzlers gegenüber dem Journalisten einer Boulevardzeitung die Bemerkung fallen, dass das Bier auch schon einmal billiger war. Samstag früh erscheint das Blatt ...