Frauen holen bei technischen Berufen weiterhin kaum auf
Am sehr geringen Anteil von Studentinnen in technischen Fächern wird sich laut einer Prognose der Statistik Austria in den nächsten zwei Jahrzehnten nur wenig ändern.
Trotz verstärkter Bemühungen, vermehrt Frauen in technische Studien zu bringen, stagniert der Frauenanteil gerade in den MINTStudien (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) weiter auf recht niedrigem Niveau. Der geringste Anteil an Studentinnen ist in den Bildungsfeldern „Informatik“(18,0%) und „Ingenieurwesen und technische Berufe“(19,4%) zu finden. Laut eben von der Statistik Austria präsentierten Daten werden sich die Geschlechterverhältnisse in diesen Studien in den nächsten zwei Jahrzehnten „nur wenig“ändern. Fünf Prozentpunkte mehr sind bis 2035/36 prognostiziert.
An der TU Wien beträgt der Frauenanteil in Elektrotechnik und Ma- schinenbau gerade zehn Prozent, in Physik 15 Prozent, in Chemie immerhin 40 Prozent. 42 Prozent der weiblichen Studierenden an der TU kommen zudem aus dem Ausland.
Experten führen das Missverhältnis in der Studienwahl hierzulande vor allem auf stereotype, konservative Rollenbilder zurück.
Eine britische Studie hat vor Kurzem gezeigt, dass der Prozentsatz an Frauen mit MINT-Abschlüssen desto niedriger liegt, je größer die Geschlechtergerechtigkeit in einem Land ist. In ärmeren Ländern suchten mehr Frauen Aufstiegsmöglichkeiten in MINT-Fächern, in reicheren Gesellschaften könnten sich Frauen eher leisten, ihren Neigungen zu folgen.
WIEN. Manche gesellschaftliche Stereotype ändern sich nur ganz langsam: Rund 400 Lehrerinnen und Lehrer wurden zuletzt im Rahmen einer noch unveröffentlichten Studie der Wiener Bildungspsychologin Christiane Spiel, die diese gemeinsam mit Diplomandinnen durchgeführt hat, gefragt, welchen Beruf sie jeweils empfehlen würden, wenn sie an ihre beste Schülerin und an ihren besten Schüler denken.
Das Ergebnis: Den Schülern wurde geraten, Techniker zu werden, den Schülerinnen Lehrerin. Praktisch keinem Mädchen sei geraten worden, Technikerin zu werden, und keinem Burschen Lehrer, berichtet Spiel den SN. „Dahinter verbirgt sich eine Haltung, die implizit immer da ist“, sagt die Bildungspsychologin. „Ähnliche Einstellungen haben häufig auch die Eltern.“
Auch Statistik-Austria-General Konrad Pesendorfer wies am Dienstag auf das „grundsätzliche gesellschaftspolitische Thema“hin, dass es weiterhin ausgeprägte Stereotype in den Geschlechterrollen gebe, was sich auch massiv auf die Studienwahl auswirke. Bei der Präsentation des Berichts „Bildung in Zahlen 2016/17“der Statistik Austria zeigte sich, dass die Studienwahl weiter stark vom Geschlecht abhängt. Weiterhin drängen weibliche Studierende in Studien im Bereich Gesundheit und Sozialwesen (Frauenanteil 77,8%) und in die Lehrerausbildung (71,3%). Der geringste Frauenanteil ist in den Bildungsfeldern „Informatik“(18%) und „Ingenieurwesen und technische Berufe“(19,4%) zu finden. Daran wird sich in den nächsten 20 Jahren nicht viel ändern. „Im Lauf der Prognose ändern sich die Geschlechterverhältnisse nur wenig“, heißt es im Hochschulbericht 2017. Gerade fünf Prozentpunkte Zuwachs werden beim Frauenanteil in Informatik oder Ingenieurwesen prognostiziert.
Bildungspsychologin Spiel weist darauf hin, dass man sich als Frau, wenn man etwas studiere, was gegen das Stereotyp sei, etwa Maschinenbau, permanent rechtfertigen müsse. „Wenn man Englisch, Sprachen, Medizin oder Geschichte studiert, ist das nicht der Fall.“Umgekehrt sei es aber auch so, wenn ein junger Mann Kindergärtner werde. Nicht einmal zwei Prozent der Kindergärtner sind Männer. Hier komme auch noch der niedrige Status des Berufs hinzu, der länderweise unterschiedlich sei. In Österreich habe der Lehrberuf keinen extrem hohen Status, in Finnland dagegen einen enorm hohen. Zumindest in den OECD-Ländern ist es so, dass statushohe Berufe eher von Männern ausgeübt werden.
Über fünf Prozentpunkte Zuwachs des Frauenanteils würde sich Brigitte Ratzer, Leiterin der Abteilung Genderkompetenz an der Technischen Universität Wien, schon sehr freuen. Trotz sehr vieler Aktivitäten erreiche man nur jene Frauen, die ohnedies interessiert seien. In Mittelund Westeuropa sowie den USA stagniere der Frauenanteil in technischen Studien bei 20 bis 30 Prozent. Österreich sei Schlusslicht. Junge Frauen befürchteten, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf werde in diesen Fächern nicht möglich sein, sagt Ratzer. „Überlange Arbeitszeiten, internationale Mobilität – ich will aber eine Familie gründen, da mach ich lieber das Lehramt.“
Nicht überall seien die Rollenbilder so konservativ wie in Österreich, sagt Ratzer. In Frankreich oder den skandinavischen Ländern sehe das anders aus.
Die Probleme lägen auch am verstaubten Image der Fächer, das nicht zuletzt von den Medien immer wieder transportiert werde. Dabei, versichert Ratzer: „Niemand rennt bei uns ölverschmiert im Schlosseranzug rum.“