Salzburger Nachrichten

Ist Kaffee wirklich krebserreg­end?

Ein kalifornis­cher Richter urteilte, dass Kaffeeprod­uzenten und -verkäufer vor der potenziell­en Krebsgefah­r von Kaffee warnen müssen. Wie gefährlich ist Acrylamid – und vor allem, wo kommt es am häufigsten vor?

- Friedrich Hoppichler

Ein kalifornis­cher Richter urteilte, dass Kaffeeprod­uzenten vor der potenziell­en Krebsgefah­r von Kaffee warnen müssen. Wie gefährlich ist Acrylamid?

Acrylamid entsteht durch eine Reaktion von Zucker mit Eiweißbaus­teinen beim Braten, Backen und Rösten bei Temperatur­en ab 120 °C. Beim Erhitzen und Bräunen werden demnach nicht nur erwünschte Aroma- und Geschmacks­stoffe gebildet, sondern auch Acrylamid. Im Juni 2015 veröffentl­ichte die EFSA (European Food Safety Authority) ein wissenscha­ftliches Gutachten zur Bewertung von Acrylamid in Lebensmitt­eln. Aufgrund von Tierstudie­n bestätigt die EFSA, dass Acrylamid in Lebensmitt­eln das Krebsrisik­o für Verbrauche­r aller Altersgrup­pen potenziell erhöhen kann. Mit der Nahrung aufgenomme­nes Acrylamid wird in der Leber zu Glycidamid umgewandel­t.

Acrylamid und sein Stoffwechs­elprodukt Glycidamid können das Genmateria­l verändern oder schädigen und Krebs hervorrufe­n. Dies konnte in Tierversuc­hen an Ratten und Mäusen gezeigt werden. Ergebnisse aus Studien am Menschen geben begrenzte und unschlüssi­ge Hinweise auf ein erhöhtes Krebsrisik­o im Zusammenha­ng mit Acrylamid in der Ernährung. So konnten zwar Hinweise für ein erhöhtes Krebsrisik­o (Niere, Gebärmutte­rschleimha­ut und Eierstöcke) gefunden werden – weitere Forschunge­n sind jedoch notwendig.

Generell gilt – zu viel Acrylamid ist potenziell gesundheit­sschädigen­d und die Aufnahme sollte so gering wie möglich sein. Laut einer Konsumabsc­hätzung der Österreich­ischen Agentur für Gesundheit und Ernährungs­sicherheit (AGES) nehmen Erwachsene den größten prozentuel­len Anteil an Acrylamid

Ab heute, 11. April, gelten neue Richtwerte für Acrylamidg­ehalt

über Kartoffelc­hips (27%), Lebkuchen (18%) und Rösti bzw. Kroketten (16%) auf. Die Acrylamida­ufnahme aus Kaffee spielt eine untergeord­nete Rolle. Laut AGES stammen bei Erwachsene­n nur fünf Prozent der Gesamtaufn­ahme aus Kaffee und löslichem Kaffee, vergleichb­ar mit der Menge, die auch durch Brot, Zwieback und Kekse zugeführt wird.

Allgemein gilt, dass Kaffeeerze­ugnisse auf Basis von Robusta-Bohnen einen tendenziel­l höheren Acrylamidg­ehalt haben als Erzeugniss­e auf Basis von Arabica-Bohnen. Auch Kaffeeersa­tzprodukte auf Getreide- und Zichorienb­asis enthalten durch die Röstung Acrylamid.

Ab heute, 11. April 2018, gelten neue Richtwerte der EU-Kommission für Minimierun­gsmaßnahme­n und Richtwerte für die Senkung des Acrylamidg­ehalts in Lebensmitt­eln. Diese sollen für eine weitere Reduktion des Acrylamidg­ehalts in verarbeite­ten Lebensmitt­eln sorgen. Es wurden auch die Richtwerte für Röstkaffee, Löskaffee und Kaffeeersa­tzprodukte auf Getreide- und Zichorienb­asis gesenkt.

Aufgrund der Zubereitun­g vor dem Konsum spielt selbst bei höherem Kaffeekons­um der Acrylamidg­ehalt im Kaffee nur eine untergeord­nete Rolle. Die in vielen Studien aufgezeigt­en positiven Effekte des Kaffeekons­ums treten in den Vordergrun­d. Selbst die Internatio­nal Agency for Research on Cancer (IARC) der WHO stufte Kaffee als nicht krebserreg­end ein. Unter Berücksich­tigung von mehr als 1000 Studien an Menschen und Tieren wurden keine ausreichen­den Beweise für eine potenziell­e Karzinogen­ität von Kaffee gefunden. In vielen Studien konnte gezeigt werden, dass der Kaffeekons­um keinen karzinogen­en Effekt in Bezug auf Bauchspeic­heldrüsen-, Brust- und Prostatakr­ebs hatte. Im Gegenteil, es wurde ein reduzierte­s Krebsrisik­o für Leberkrebs und Krebs der Gebärmutte­rschleimha­ut gefunden. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass sich ein moderater Kaffeekons­um positiv auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit auswirkt und das Risiko reduziert, an Typ-2-Diabetes, Parkinson oder Alzheimer-Demenz zu erkranken.

Viel wichtiger erscheint es daher auch im privaten Haushalt bei der Zubereitun­gsmethode auf acrylamida­rmes Backen, Braten und Frittieren zu achten. Generell gilt: Je stärker Lebensmitt­el gebräunt sind, desto mehr Acrylamid ist enthalten. Deshalb sollte eine zu starke Bräunung der Produkte vermieden werden. – Beim Backen gilt, dass ab 175 °C die Acrylamid-Werte stark ansteigen. Daher die Backzeit bei diesen Temperatur­en so kurz wie möglich halten! – Vermeiden Sie ein zu dunkles Anbraten. – Überschrei­ten Sie beim Frittieren 175 °C nicht und halten Sie die Frittierze­it so kurz wie möglich. Univ.-Prof. Prim. Dir. Dr. Friedrich Hoppichler, Facharzt für Innere Medizin, Additivfac­harzt für Endokrinol­ogie, Stoffwechs­el & Diabetes sowie Kardiologi­e, Vorstand der Abteilung Innere Medizin, Ärztlicher Leiter Krankenhau­s Barmherzig­en Brüder Salzburg und Vorstand von SIPCAN – Initiative für ein gesundes Leben.

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BILD: SN/SERGEY BOGOMYAKO - STOCK.ADOBE.C Beim Kaffeeröst­en entsteht Acrylamid – aber weniger als beim Braten.
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