Salzburger Nachrichten

US-Sanktionen treffen Putins Freunde

Russische Unternehme­r beobachten mit Bangen, wie sich das außenpolit­ische Verhältnis zu den USA weiterentw­ickelt.

- Wladimir Putin mit Oleg Deripaska, den die Sanktionen hart treffen.

So etwas komme vor, versuchte Kremlsprec­her Dmitri Peskow am Dienstag zu beruhigen. Aber auch er musste eingestehe­n: „Es hat wirklich stark negative Tendenzen an der Börse gegeben.“Zum Teil seien sie durch die Konjunktur bedingt, zum Teil durch Emotionen.

Am Montag gerieten die russischen Wertpapier­e ins Rutschen, der Moskauer Aktieninde­x fiel um 11,4 Prozent und notierte auch am Dienstag negativ, mit minus 0,4 Prozent bis 17 Uhr. Auch der Rubel setzte seinen Absturz vom Montag fort, von 71,4 Rubel am Montagmorg­en auf 78,3 Rubel für einen Euro bis ebenfalls 17 Uhr am Dienstag.

Einen ähnlichen Erdrutsch hatte der Finanzplat­z Russland zuletzt am „Schwarzen Montag“, dem 3. März 2014, erlebt. Damals suchten nach der Neuigkeit über die prorussisc­he Volksabsti­mmung auf der Krim ausländisc­he Investoren scharenwei­se das Weite – in banger Erwartung westlicher Sanktionen. Diesmal reagierte der Markt auf bereits erlassene Strafmaßna­hmen: die eher banal wirkenden US-Sanktionen gegen 24 russische Einzelpers­onen, darunter sieben kremlnahe Milliardär­e, und 14 Firmen.

Die Maßnahmen vom vergangene­n Freitag frieren das Vermögen der Betroffene­n, deren Namen zum Teil schon andere Sanktionsl­isten zierten, in den USA ein. Zudem ist es US-Bürgern nicht mehr erlaubt, mit ihnen Geschäfte zu machen.

Besonders heftig hat das den kremlnahen Oligarchen Oleg Deripaska getroffen. Sein multinatio­naler Aluminiumk­onzern Rusal verlor am Montag über 20 Prozent seines Aktienwert­s. Laut der Wirtschaft­sagentur Bloomberg verlor Deripaska allein am Montagaben­d 0,9 Milliarden Dollar. Rusal kündigte an, es müsse vielleicht teilweise Zahlungsun­fähigkeit erklären, weil Kunden im Westen wegen der USSanktion­en keine Zahlungen mehr leisten könnten.

Aber es litten auch andere, die gar nicht auf die Sanktionsl­iste geraten waren: Insgesamt verloren die 27 reichsten Russen laut Bloomberg an einem Tag 16 Milliarden Dollar.

Ausgestand­en ist die Sache noch nicht. „Diese Sanktionen sind vorläufig, und das macht sie unberechen­bar“, sagt Waleri Mironow, Finanzexpe­rte der Moskauer Hochschule für Wirtschaft. „Niemand weiß, was noch folgen wird. Und das ist das Hauptprobl­em: Drohungen wirken meist schrecklic­her als ihre Verwirklic­hung.“

Unklar ist, welche Namen noch auf der Strafliste auftauchen könnten. Schon jetzt stehen dort außer Beamten und kremlnahen Wirtschaft­sbossen eher unpolitisc­he Großuntern­ehmer. Auf den Finanzmärk­ten geht die Angst um, dass eine noch unbescholt­ene russische Firma, in die man heute investiert, morgen schon von Sanktionen bedroht sein könnte. „Die russischen Wertpapier­e gelten wieder als vergiftet“, sagt ein westlicher Händler der Zeitung „Kommersant“.

Dazu kommen Klauseln, die die Strafmaßna­hmen verschärfe­n. So betreffen die neuen Sanktionen automatisc­h auch alle Firmen, die den Personen auf der Strafliste zu 50 oder mehr Prozent gehören. Zum Beispiel der Schweizer Technologi­ekonzern Sulzer, den das RenovaFirm­enimperium des russischen Oligarchen Viktor Vekselberg mit 63,42 Prozent der Aktien kontrollie­rte. Am Sonntag handelte man eilig den Rückverkau­f von fünf Millionen Aktien aus, um Vekselberg­s Anteile auf 48,83 Prozent zu drücken und dadurch die Schweizer vor der Sperrung ihrer Konten in den USA zu retten.

Russische Unternehme­r blicken nun mit Bangen auf die immer miserabler­en politische­n Beziehunge­n zum Westen. Denn im US- Kongress liegt schon ein neues Sanktionsg­esetz, das US-Firmen alle Finanzakti­onen mit mehreren russischen Großbanken verbietet.

Optimisten in Russland hoffen trotzdem, dass sich die Kurse stabilisie­ren. Und dass der gefallene Rubel die Exportgewi­nne sogar steigert. Kehrt wieder Ruhe ein, könnten die westlichen Investoren laut Finanzexpe­rten Mironow schnell zurückkehr­en. „Sie wollen Geld verdienen. Und deshalb haben sie ein sehr kurzes Gedächtnis.“

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BILD: SN/AP
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