VW-Chef Müller soll gehen
„Uns kann niemand mehr überraschen“, sagen VW-Konzern-Leute gern. Kann man doch.
SALZBURG. In Wolfsburg verschlug es am Dienstag selbst den sonst stets Eingeweihten die Sprache. Man plante gerade Termine für die nächsten zwei Wochen – auch mit dem Vorstandsvorsitzenden Matthias Müller –, als durchsickerte, dass er diese Termine wohl nicht wahrnehmen wird. Deutsche Medien, allen voran das „Handelsblatt“, berichteten, dass Müller gegen den VW-Markenchef Herbert Diess ausgetauscht werde. Kurz zuvor hatte der Konzern eine kryptische Adhoc-Meldung veröffentlicht. Insider meinen, der Konzern sei wahrscheinlich durch Medien-Recherchen dazu gezwungen gewesen. In der Mitteilung hieß es: „Die Volkswagen Aktiengesellschaft erwägt eine Weiterentwicklung der Führungsstruktur für den Konzern, die auch mit personellen Veränderungen im Vorstand und mit Änderungen bei den Ressortzuständigkeiten im Vorstand verbunden wäre. Dazu könnte auch eine Veränderung im Amt des Vorstandsvorsitzenden gehören.“Und: „Herr Matthias Müller hat seine grundsätzliche Bereitschaft signalisiert, an den Veränderungen mitzuwirken.“Näheres gab es offiziell dazu nicht. Dies will der Konzern auch bis Freitag durchhalten. Da soll der Konzern-Aufsichtsrat über den Umbau beraten.
Müller, der den weltgrößten Autobauer seit Bekanntwerden des Dieselskandals vor zweieinhalb Jahren führt, hatte unlängst im „Spiegel“sehr unverblümt und unerwartet, wie es öfter seine Art ist, über einen nötigen Umbau des Vorstands gesprochen: Das oberste Management von Volkswagen müsse „weiblicher, jünger und internationaler“werden. „Das ist ein riesiges Problem des Konzerns. (. . .) Ich würde auf jeden Fall gerne mit dem Aufsichtsrat diskutieren, wie der Konzern nach meiner Zeit geführt werden soll und von wem.“Manchmal geht es eben schnell. Weiblich ist der kolportierte Nachfolger Diess nicht, internationaler ist der Deutsche mit österreichischem Pass kaum, er ist 59 Jahre alt, Müller 64. Aber vielleicht gibt es beim weiteren Umbau in der Führungsetage noch Überraschungen.
Müllers Vertrag läuft noch bis zum Jahr 2020. Insider meinen zu den Hintergründen seines Abgangs, dass es zu Unstimmigkeiten über den geplanten Umbau, etwa bei der Lkw-Sparte oder der Teilung in eine Premium- und Volumengruppe, gekommen sein könnte.
Der frühere BMW-Manager Diess war 2015 an Bord geholt worden. Er hat die lang ertragsschwache Kernmarke mit dem VW-Logo inzwischen auf Kurs gebracht und treibt deren Umbau zu einem führenden Anbieter von Elektromobilität voran.
Müller führt den Konzern seit September 2015, als der damalige Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn wegen der Dieselaffäre zurücktreten musste. Er trieb seither die Aufklärung des Dieselbetrugs voran, der den Konzern bereits mehr als 25 Milliarden Euro gekostet hat. Und als Konzernchef begann Müller mit dem Umbau des Unternehmens, das der frühere Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch zu einem Imperium mit zentraler Führung aufgebaut hatte. Die einzelnen Regionen erhielten durch Müller mehr Mitsprache in der Modellpolitik, die Marken bekamen mehr Eigenständigkeit.
Der versprochene „Kulturwandel“kam jedoch nicht schnell genug voran. Hinzu kamen immer wieder Skandale. Wenn der VolkswagenChef den Konzern gerade in etwas ruhigerem Fahrwasser wähnte, kündigte sich schon das nächste Desaster an. Müller musste dann wieder Schadensbegrenzung betreiben. Immer wieder stand zudem die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen wegen des Abgasskandals vor der Tür. Dass der Umbau des Autokonzerns nicht so rasch vorankommt, wie viele erwartet haben, liegt auch daran, dass die Eignerfamilien Porsche und Piëch auf der Bremse standen.
Volkswagen hat angekündigt, auch die Ressortzuständigkeiten zu ändern, das deutet auf einen größeren Konzernumbau hin. An der Börse sorgte dies für gute Stimmung: VW-Aktien stiegen zeitweise um fünf Prozent auf 172,50 Euro.