„Huihuihui! Hamlet!“
Der 25-jährige Jakob Elsenwenger ergattert eine der begehrtesten Rollen der Theaterliteratur.
„ESISTETWASFAUL“sprühte Jakob Elsenwenger am Dienstagabend auf die Wand. So begann im Renaissancetheater des Theaters der Jugend in Wien die Premiere mit einem ungewöhnlichen Hamlet. SN: Es heißt, junge Menschen hätten andere Interessen als die Guckkastenbühne und Klassiker. Was mögen Sie daran? Jakob Elsenwenger: Das Theater hat mich als Kind schon interessiert, als Vier- oder Fünfjähriger wollte ich beim Spielen immer alles und jeder sein. Ab dem Zeitpunkt, als ich beim „Salzburger Advent“in der Andräkirche als Mitglied der Theaterkinder mitmachte, das war ab acht Jahren, wusste ich, dass mich die Bühne anzieht. SN: Wann waren Sie das erste Mal auf einer Theaterbühne? Angefangen hat es mit dem „Salzburger Advent“, dann mit neun, beim „Jedermann“auf der Festung, als Kind vom Knecht. SN: Wie wurden Sie Schauspieler? Ich habe nach der fünften Klasse im Musischen Gymnasium eine Lehre als Großhandelskaufmann gemacht. Das war für mich eine berufliche Absicherung. Aber mir war klar: Theater ist mein Leben. Noch während ich meinen Zivildienst im Clearinghaus Salzburg leistete, meldete ich mich zum Vorsprechen im Schauspielhaus Salzburg. Davor hab ich mir ein paar Monologe gesucht und bis zu fünf Stunden täglich geübt. Dann haben die mich genommen. SN: Beim ersten Vorsprechen? Ja, ich hab damals gar nicht gewusst, dass andere sich x-mal bewerben. Ich konnte sogar neben dem Zivildienst die Ausbildung anfangen. Im dritten Jahr, noch vor dem Abschluss, hat mich Michael Niavarani nach Wien ins Globe wegengagiert. Ich durfte in „Richard III.“mitspielen. Parallel dazu bekam ich meine erste Rolle im Theater der Jugend. Seit Herbst 2016 bin ich dort im Ensemble. SN: Sie haben nicht einmal Ihr Diplom abgeschlossen? Die Entscheidung, nach Wien zu gehen, war für mich damals nicht leicht. Ich wollte mein Diplom machen, konnte die Ausbildung am Schauspielhaus Salzburg aber parallel nicht fortsetzen. Mit Kollegen aus dem Globe-Ensemble bereitete ich mich vor, trat vor die Paritätische Kommission und bestand noch vor meinen Studienkollegen die Diplomprüfung. SN: Andere Schauspieler warten ihre ganze Karriere, einmal Hamlet spielen zu dürfen. Andere kündigen ihr Engagement, weil ein Kollege Hamlet spielen darf. Wie haben Sie die Rolle bekommen? Nach meiner Rolle in „Der talentierte Mr. Ripley“ist Herr Birkmeir (Direktor des Theaters der Jugend, Anm.) auf mich zugekommen. Er hat gesagt, er würde gerne „Hamlet“machen und er glaube, ich könnte das. Da hab ich gesagt: „Sehr, sehr gern!“Ich war schon ein bisserl überwältigt. Huihuihui! Mit 25 Hamlet! Das hat mich gefreut. Das ist ein wahnsinniges Geschenk. SN: Was mögen Sie an Hamlet? Die Fragen, die er über Sein und Nichtsein stellt, die Intrigen um ihn oder die Frage, ob er verrückt ist oder den Verrückten spielt. Das sind spannende Gratwanderungen. SN: Wie legen Sie den Monolog „Sein oder Nichtsein“an? Ich stehe frontal vorn an der Rampe auf der fast leeren Bühne, nur mit roten Vorhängen. SN: Also volle Tube Monolog? Ja genau. Man kann sich ja in dieser Rolle überhaupt wenig hinter einer Figur verstecken. Das meiste muss man aus sich nehmen und selber denken und erfahren. SN: Das Ende dieses Monologs laut Thomas Birkmeirs Fassung lautet: „Zu sein schändet mich. Nicht zu sein ängstigt mich.“Was fangen Sie damit an? „Zu sein schändet mich“beziehe ich darauf, dass er die Rache noch nicht genommen hat. Er ist ja noch in dem Hirngespinst, ob es den Geist seines Vaters gibt oder nicht. Das Ängstigen bezieht sich auf den Tod: Was passiert danach? Wo kommen wir da hin? SN: Das beschäftigt Sie als 25-Jährigen? Ja, da muss man hinterfragen, hinterfragen, hinterfragen. SN: Kennen Sie Rache? Na ja, das ist schon die Figur. Ich als Person bin kein rachsüchtiger Mensch, ich verspüre auch keinen Neid. Ich fühle mich in meinem Beruf so wohl, und auch in meinem Privatleben kenne ich Rache und Neid nicht. SN: Haben Sie Angst vor dem Tod? Nicht unbedingt Angst. Es ist mehr die Frage, was dann passiert. Ich würde vermutlich in dieser Situation – die man ja keinem wünscht – darum kämpfen, dass ich für die anderen dableiben kann. Es ginge mir mehr um meine Mitmenschen, die mich vermissen würden. SN: Was erwarten Sie danach? Es ist eher Unsicherheit, man weiß es ja nicht. Aber vielleicht doch auch ein Stück Angst? SN: Mögen Sie Shakespeare? Der gilt ja nicht als cool. Ah, schon! Es steckt viel Komödie in seinen Dramen. Erst muss man lachen, bis man weinen kann. Dieser Gegensatz und die Gemeinsamkeit von Theater und Kabarett – das bringt Shakespeare auf den Punkt. SN: In „Hamlet“auch? Da haben wir auch lustige Stellen, die von Shakespeare so gemeint worden sein könnten. SN: Bei euch heißt es: „nach Shakespeare“. Was ist anders als im Original? Birkmeir hält sich an den Duktus, hat es aber modernisiert und für Jugendliche mundgerecht gemacht. Es kommen Mobiltelefone vor. Am Schluss haben wir zwar einen Fechtkampf, aber bei Shakespeare trägt Hamlet immer einen Degen, bei uns ist es eine Pistole. Wie unser „Hamlet“in die heutige Zeit gezogen ist, zeigt allein der Anfang: Da sprüht er mit einer Graffitidose an die Wand: „Es ist etwas faul im Staate.“Es sind einige Originalzitate dringeblieben. SN: Was ist schwierig zu spielen? Wenn er zweifelt. SN: Was ist leicht? Wenn er verrücktspielt, wenn es nahezu in die Komödie geht und leichtfüßig wird. Das macht Freude! SN: Welche Stelle ist für Sie am interessantesten? Der „Sein oder Nichtsein“-Monolog. Den überlege ich jeden Tag – etwa die Zeile: „Wir stecken lieber tief im Dreck des Daseins, anstatt uns anzufreunden mit dem Nichts.“ SN: Stecken Sie tief im Dasein? Ja! SN: Auch im Dreck? Nein, das teile ich nicht so mit dem Hamlet, weil ich fühle mich in meinem Dasein schon wohl. SN: Wenn Sie aufsprühen: „Es ist etwas faul im Staate“, hat das mit dem heutigen Österreich zu tun? Teilweise schon. Ich bin vorsichtig mit Politischem. Aber vieles ist richtig, was wir in dieses Stück hineinlegen – der Rechtsruck, wie auf mehreren Seiten aufgestachelt wird. Es geht auch darum, wie man sich in einem Machtspiel positioniert.
„,Sein oder Nichtsein‘ überlege ich jetzt jeden Tag.“Jakob Elsenwenger, Schauspieler