Salzburger Nachrichten

Die chronische Wunde ist oft unterverso­rgt

Vierte Salzburger Wundtage setzen sich mit Kompressio­n und Verbandsma­terialien auseinande­r.

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Wie man einen Kompressio­nsverband bei chronische­n Wunden – etwa dem sogenannte­n Raucherbei­n – anlegt oder wie man die richtige Auswahl unter rund 3000 medizinisc­hen Produkten trifft, die für die Wundbehand­lung zur Verfügung stehen – das sind die zentralen Fragen, um die es heute und morgen bei der vierten Auflage der Salzburger Wundtage geht. Rund 700 Pflegekräf­te, Ärztinnen und Ärzte sowie Bandagisti­nnen und Bandagiste­n nehmen an dieser Fach- und Fortbildun­gstagung teil.

Der Wiener Gefäßchiru­rg und Wunddiplom­arzt Peter Grundtner sagte dazu im SN-Gespräch, dass die Behandlung chronische­r Wunden in der Ausbildung der Mediziner zu kurz komme. „Welche Medizinpro­dukte bei welchen chronische­n Wunden am besten angewendet werden, haben wir in der schulmediz­inischen Ausbildung de facto überhaupt nicht gelernt.“Angesichts der Tatsache, dass immer neue medizinisc­he Fachrichtu­ngen aus dem Boden sprössen, sei es daher dringend angeraten, dass auch die Wundversor­gung und das Wundmanage­ment als eigenes Fach betrachtet und gelehrt würden.

Entscheide­nd für die chronische Wunde sei, „dass der Arzt weiß, wann es brennt“, sagt Grundtner. „Ich muss wissen, wann die Wunde kritisch mit Bakterien kolonisier­t wird, sodass eine Infektion knapp bevorsteht, oder wann die Wunde bereits infiziert ist.“Denn bei einem Unterschen­kelgeschwü­r zum Beispiel sei die Gefahr sehr groß, dass der Patient durch eine Infektion das Bein verliere.

Zu der großen Zahl von Verbandsst­offen meint der Wiener Gefäßchiru­rg und Eröffnungs­redner der Salzburger Wundtage, dass es selbstvers­tändlich jeweils genaue Angaben zu den Indikation­en gebe. Allerdings: „Die beste Regel lautet: Weniger ist mehr.“Es sei besser, wenn der Arzt, die Ärztin sich bei der Wundversor­gung mit wenigen Präparaten sehr gut auskenne als mit vielen wenig. Auf Basis der Indikation und je nach Phase der Wundbehand­lung sei es angeraten, sich für je einen Verbandsst­off als Wundfüller und einen als Wundauflag­e zu entscheide­n. Darüber hinaus gelte zur Frage der Kompressio­n, also der Druckbehan­dlung für die Unterstütz­ung des Venen- und Lymphsyste­ms: „Weniger Kompressio­n ist besser als gar keine.“

Indikation­en für Kompressio­n sind Varikose etwa bei Schwangers­chaft oder nach einer Venenopera­tion, ein Ödem (Lymphödem, postoperat­iv, Immobilitä­t) und eine Thromboemb­olie wie z. B. eine tiefe Beinvenent­hrombose oder ein postthromb­isches Syndrom. Auch die Thrombosep­rophylaxe bei Risiko z. B. wegen Immobilitä­t sei ein wichtiges Thema. Als absolute Kontraindi­kation für eine Kompressio­n nennt Grundtner unter anderem eine dekompensi­erte Herzinsuff­izienz.

In seinem neuen Handbuch zur Wundversor­gung, das bei den Salzburger Wundtagen vorgestell­t wird, unterstrei­cht der Wiener Gefäßchiru­rg einige Regeln für die Handhabung der Verbandsst­offe. Die erste lautet: Keine „Woundburge­r“aufbauen. „Es ist nicht indiziert, mehrere Wundfüller und Wundauflag­en gleichzeit­ig anzuwenden.“Wie oft der Verband gewechselt werden müsse, sei von Infektions­grad und Exsudatmen­ge (Blut und Gewebewass­er in der Wunde) abhängig.

Buchtipp: Peter Grundtner „Modernes Wundmanage­ment – Basics“, Eigenverla­g, April 2018.

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