Die politische Macht in den Kassen wird neu verteilt
Nach der Reform der Sozialversicherungen werden mehr Wirtschaftsvertreter in den Gremien sitzen. Die Selbstverwaltung der Kassen wird stark eingeschränkt.
Die Reformen im Sozialversicherungssystem werden auch das politische Machtverhältnis in den Kassen verschieben. Dies geht aus einem Entwurf einer Ministerratsvorlage für ein SozialversicherungsStrukturreformgesetz hervor. Bisher hatten die Arbeitnehmervertreter, etwa in den Gebietskrankenkassen, im Vergleich zu den Arbeitgebervertretern ein deutliches Übergewicht in den Gremien. So sitzen etwa in der Generalversammlung der Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK) 24 Dienstnehmervertreter und sechs Dienstgebervertreter. Im neuen Vorstand der SGKK werden drei Arbeitnehmervertreter, drei Arbeitgebervertreter, ein Vertreter des Landeshauptmanns und ein Vertreter des zuständigen Ministeriums sitzen. In allen anderen Gebietskrankenkassen wird das Kräfteverhältnis ähnlich sein.
Die Idee dazu ist nicht neu. Die Wirtschaftstreibenden betonen bereits seit Längerem, dass die Unternehmen die Hälfte der Kassenbeiträge zahlen und deshalb mehr mitreden sollten. Bisher konnten diese Pläne nicht umgesetzt werden. Der Widerstand der Gewerkschaften und der SPÖ war zu groß.
Weitere Details aus dem Reformpapier: Die Selbstverwaltung wird stark eingeschränkt, die neuen Verwaltungsräte dürfen kein politisches Mandat annehmen, außerdem müssen sie eine Prüfung ablegen, bevor sie tätig werden.
SPÖ-Reformpläne. Auch wenn die SPÖ gegen die Reformpläne der Bundesregierung Sturm läuft: Bereits die frühere SPÖgeführte Regierung wälzte weitreichende Reformpläne, ohne diese aber umzusetzen. Der damalige Sozialminister Alois Stöger präsentierte im August 2017 sogar eine 1400-Seiten-Studie, die er eigens bei der London School of Economics (LSE) in Auftrag gegeben hatte. In dieser Studie wurden vier Modelle entwickelt: Vier Modelle. Modell 1 sah je einen bundesweiten Träger für die Unfall- und die Pensionsversicherung sowie je einen Krankenversicherungsträger für alle unselbstständig Beschäftigten und einen für die Selbstständigen (SVA und SVB) vor. Modell 2 ging von einer ähnlichen Struktur wie Modell 1 aus, allerdings gibt es für die Kranken- und die Unfallversicherung einen eigenen Träger für die öffentlich Bediensteten. Modell 3 sah einen bundesweiten Träger für die Pensionsversicherung und einen Träger für die Kranken- und die Unfallversicherung vor, der aus neun Landesträgern besteht. Modell 4 würde die derzeitige Struktur beibehalten. Allerdings sollte dabei das System durch mehr Risikostrukturausgleich zwischen den Trägern verbessert und die Koordination zwischen den Trägern durch die Einrichtung gemeinsamer Servicezentren erhöht werden. Kleine Lösung. Anders als die jetzige Regierung, die das System grundlegend reformieren möchte, legten sich Stöger und die damalige Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner auf Modell 4 der LSE fest – also auf jenes, das die derzeitige Struktur beibehält und lediglich eine bessere Koordination zwischen den einzelnen Versicherungsträgern vorsieht. Die beiden SPÖ-Minister begründeten dies damit, dass man so rasch Verbesserungen für die Bevölkerung erreichen und Leistungen der Kassen nach oben angleichen könne. Gleichzeitig stellten Stöger und Rendi-Wagner aber auch klar, dass die Anzahl der Träger „nicht in Stein gemeißelt“sei. Gesundheitsministerin Rendi-Wagner kündigte an, statt der derzeit zehn Gesetze (neun Landes-und ein Bundesgesetz) ein bundesweit einheitliches Krankenanstaltengesetz mit verbindlichen Vorgaben zu schaffen, um einheitliche Standards und eine gleich hohe Qualität in allen Spitälern zu erreichen. Teure AUVA. Auf ein weiteres Ergebnis der LSE-Studie verwies am Donnerstag der Thinktank Agenda Austria: Vergleiche man die Sozialversicherungen untereinander, so zeigten sich demnach im Bereich der Unfallversicherung deutlich höhere Verwaltungskosten. So fielen bei der AUVA knapp 7,1 Prozent der Gesamtkosten in den Bereich der Verwaltung, während es im Bereich der Krankenversicherung Werte zwischen 0,6 und 6,8 Prozent waren. Laut LSE-Studie können die Unterschiede in den Verwaltungskosten nur teilweise durch den höheren Aufwand bei den Fallbearbeitungen erklärt werden, hieß es seitens Agenda Austria.