Macron sieht Einsatz als bewiesen an
Chemiewaffen sind für Frankreichs Staatschef Macron eine „rote Linie“im syrischen Bürgerkrieg. Doch wann eine Entscheidung über angedrohte Militärschläge fällt, ist offen.
Chemiewaffen sind für Frankreichs Staatschef Macron eine „rote Linie“im syrischen Bürgerkrieg. Wann eine Entscheidung über Militärschläge fällt, ist aber offen. Auch US-Präsident Trump ruderte zurück.
Der Schauplatz ist sorgsam gewählt: Eine blitzsaubere Grundschule in der Normandie, 150 Kilometer entfernt von der lärmenden Hauptstadt Paris. Ein knappes Jahr nach Amtsantritt will Emmanuel Macron auf drängende Fragen der Franzosen antworten: Wie geht es bei dem Bahnstreik weiter, wie an blockierten Universitäten?
Doch es kommt anders. Denn der 40-Jährige steht im internationalen Rampenlicht. Er droht an der Seite seines US-Kollegen Donald Trump offen mit einem möglichen Militärschlag in Syrien. Der Herr des Élysée-Palasts erläutert dem Moderator des Senders TF1 in einer Schulklasse, es gebe Beweise für den Einsatz von Chemiewaffen durch die syrische Regierung. „Wir haben den Beweis, dass Chemiewaffen verwendet wurden, zumindest Chlor, und dass sie vom Regime von Baschar al-Assad verwendet wurden“, sagt Macron.
Doch bleibt er vage, wenn es um den Zeitpunkt für eine Entscheidung über einen möglichen Militärschlag geht. „Wir müssen Entscheidungen treffen, zu gegebener Zeit, wenn wir das für am nützlichsten und wirksamsten halten“, lautet sein Credo. Auch Trump schrieb am Donnerstag auf Twitter, er habe niemals einen Zeitpunkt für einen Syrien-Angriff genannt: „Es könnte sehr bald sein oder überhaupt nicht so bald.“
Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schloss eine deutsche Beteiligung an einem Militärschlag aus: „Deutschland wird sich an eventuellen – es gibt ja keine Entscheidung, ich will das nochmals deutlich machen – militärischen Aktionen nicht beteiligen.“Eine französische Beteiligung an einer Militäraktion gilt als wahrscheinlich, die britische Regierung wollte noch am Donnerstag darüber beraten. Als Option gelten gezielte Raketenangriffe auf ein Objekt oder mehrere ausgewählte Ziele. Heikel daran wäre, dass in Syrien stationierte russische Truppen getroffen werden könnten. Das russische Außenministerium rief denn am Donnerstag auch zur Besonnenheit auf. „Wir wollen keine Eskalation“, versicherte Sprecherin Maria Sacharowa. Sie bezeichnete die Vorwürfe des Westens gegen die syrische Regierung als falsch.
Bei einem am vergangenen Wochenende gemeldeten Giftgasangriff auf die von Rebellen kontrollierte Stadt Douma in Ost-Ghouta sollen nach unterschiedlichen Angaben 42 bis 85 Menschen getötet worden sein. Die Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW) schickt ein zehnköpfiges Expertenteam nach Douma, das am Samstag mit seinen Untersuchungen beginnt. Trump macht das Assad-Regime für den mutmaßlichen Giftgaseinsatz verantwortlich. Er kündigte am Mittwoch einen Raketeneinsatz an. „Russland hat geschworen, alle Raketen abzuschießen, die auf Syrien abgefeuert werden. Mach dich bereit, Russland, denn sie werden kommen (...)“, schrieb Trump auf Twitter.
Was Trump dermaßen in Alarmbereitschaft versetzte, war ein Interview des russischen Diplomaten Alexander Sassypkin, Botschafter im Libanon. Nun ist Sassypkin kein diplomatisches Schwergewicht. Doch ausgerechnet sein Interview war es, das Trump derart empörte, dass er schrieb, Russland solle sich bereit machen für die „neuen, schönen, smarten Raketen“, die man auf syrische Militärobjekte feuern wolle, als Vergeltung für den Giftgasangriff in Douma.
Bereits am Dienstag hatte Sassypkin dem Sender Al-Manar erzählt, Russland behalte es sich vor, nicht nur amerikanische Raketen, sondern auch die Startvorrichtungen dieser Raketen zu zerstören. Im Falle der aktuell diskutierten Schläge gegen Syrien wären das US-Kriegsschiffe im Mittelmeer. Nun stelle man sich vor, Russland würde tatsächlich ein amerikanisches Schiff versenken. Wie sähe die Antwort aus? Ein Angriff auf die russischen Truppen in Syrien, die den USA und ihren Verbündeten in der Region deutlich unterlegen sind? Kein Wunder, dass ein solches Szenario am Mittwoch die russischen Finanzmärkte auf Talfahrt schickte.
Am Donnerstag entspannte sich die Lage, als klar wurde, dass nicht nur Trump offenbar keine übereilten Schritte machen wollte. Und auch als klar wurde, dass Sassypkin nichts Neues gesagt hatte. Bereits Mitte März warnte der russische Generalstabschef Waleri Gerassimow die USA vor einem Angriff in Syrien. Sollten russische Soldaten in Gefahr kommen, werde Russland Raketen und Abschussvorrichtungen zerstören. Dass man nur im Falle einer direkten Bedrohung für russisches Bodenpersonal antworten werde, fehlte jedoch in Sassypkins Interview. Offensichtlich handelte es sich also nicht um eine Änderung der russischen Strategie, sondern um eine missverständliche Kommunikation.
„Ich habe niemals einen Zeitpunkt für einen Syrien-Angriff genannt.“Donald Trump, US-Präsident