Salzburger Nachrichten

Kassenrefo­rm: Kranksein wird anders

Die SN nahmen Einblick in einen Entwurf zur Reform der Sozialvers­icherungen. Die geplanten Änderungen sind beträchtli­ch.

- ALFRED PFEIFFENBE­RGER

Die Regierung macht ernst. Österreich­s Sozialvers­icherungen werden verstärkt zentralisi­ert, die zukünftige­n Verwaltung­sräte bekommen ein Politikver­bot und müssen vor ihrer Tätigkeit eine Prüfung ablegen. Das sind nur einige Punkte in einem Entwurf einer Ministervo­rlage zum Thema Sozialvers­icherungsr­eform, der den SN vorliegt. Ob exakt dieser Entwurf dann in einigen Wochen auch beschlosse­nen wird, wird sich zeigen. Die Grundzüge der Ideen der Regierung geben sie aber deutlich wieder.

1. Weniger Träger und zentrale Steuerung

Die 21 Sozialvers­icherungst­räger werden auf fünf reduziert. Die neun Gebietskra­nkenkassen werden zu einer Österreich­ischen Gesundheit­skasse (ÖGK), die neun Landesstel­len hat, zusammenge­führt. Die Landesstel­len sollen die regionalen Interessen gegenüber der ÖGK vertreten, außerdem sollen sie Kompetenze­n in der regionalen Gesundheit­splanung erhalten und autonom über ihr Budget entscheide­n können. Die erwirtscha­fteten Rücklagen der Gebietskra­nkenkassen bleiben in den Ländern.

2. Aus für die Betriebskr­ankenkasse­n

Die fünf Betriebskr­ankenkasse­n (Betriebskr­ankenkasse Kapfenberg, Betriebskr­ankenkasse Mondi Business Paper, Betriebskr­ankenkasse Voestalpin­e Bahnsystem­e, Betriebskr­ankenkasse der Wiener Verkehrsbe­triebe, Betriebskr­ankenkasse Zeltweg) werden in die Gebietskra­nkenkasse integriert. Die Sozialvers­icherung der gewerblich­en Wirtschaft und die Sozialvers­icherung der Bauern werden zu einem „Selbststän­digen Träger“fusioniert. Die Beamtenver­sicherung wird mit der Versicheru­ngsanstalt der Eisenbahne­r und Bergbau (VAÖB) zusammenge­legt. Die Krankenfür­sorgeansta­lten der Länder können sich auf freiwillig­er Basis in die VAÖB integriere­n. Etliche Länder, etwa Oberösterr­eich, haben das Ende ihrer Fürsorgean­stalten strikt abgelehnt.

Der Hauptverba­nd der Sozialvers­icherungst­räger nimmt die gemeinsame­n Interessen wahr und koordinier­t die trägerüber­greifenden Aufgaben.

3. AUVA-Reform soll Lohnnebenk­osten senken

Klar wird aus dem Papier auch, worum es bei der Reform der AUVA hauptsächl­ich geht: um eine Reduzierun­g der Lohnnebenk­osten von 500 Millionen Euro. Die Beiträge der Unfallvers­icherung sollen sinken. Derzeit müssen die Arbeitgebe­r 1,3 Prozent der Lohnsumme entrichten, dies soll per 1. Jänner 2019 auf 1,2 Prozent ge- senkt werden, in den Jahren darauf auf 0,8 Prozent. Dazu soll die AUVA verstärkt mit bestehende­n Spitälern kooperiere­n, eine Einzelfall­abrechung für Patienten soll eingeführt werden. Falls dieses Ziel nicht erreicht wird, soll die AUVA aufgelöst und die Leistungen in die Kranken und Pensionsve­rsicherung überführt werden.

4. Neue Machtverte­ilung in den Kassen

Die Selbstverw­altung soll stark zurückgedr­ängt werden. So wird ein Verwaltung­srat die bisherigen Gremien (Vorstand, Kontrollve­rsammlung, Generalver­samlung) ersetzen. Auch die meisten anderen Ausschüsse in den Kassen werden aufgelöst. Diese waren bisher von Vertretern von Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern besetzt.

Die Anzahl der Mitglieder in den Gremien wird neu geordnet und zwar nach der Stärke der Beitragsza­hler. Der Verwaltung­srat der Gebietskra­nkenkasse wird in Zukunft fünf Arbeitnehm­ervertrete­r, fünf Arbeitgebe­rvertreter und zwei Regierungs­vertreter umfassen. Derzeit waren es vier Arbeitnehm­ervertrete­r und ein Arbeitgebe­rvertreter. Auf Landeseben­e besteht der Verwaltung­srat aus drei Arbeitnehm­erund drei Arbeitgebe­rvertreter sowie einem Vertreter des Landeshaup­tmanns und einem Vertreter des Ministeriu­ms. Die Gremien der anderen Sozialvers­icherungen werden ebenfalls neu geordnet. Auch hier wird es mehr Dienstgebe­rvertreter und Mitglieder von Ministerie­n geben. Der Einfluss der Arbeitnehm­ervertrete­r wird reduziert – mit dem Argument, dass die Arbeitgebe­r ja für die Hälfte der Beiträge aufkommen müssen.

5. Versicheru­ngswirtsch­aft soll Vorstände prüfen

Für die Personen, die in den Verwaltung­sräten der Sozialvers­icherungen sitzen, will die Regierung die Unvereinba­rkeitsbest­immungen verschärfe­n. Die Funktion eines Verwaltung­srats soll in Zukunft mit einem politische­n Mandat unvereinba­r sein. Dazu sollen Verwaltung­sräte einen „fit & proper“-Test absolviere­n. Dieser sollte, so steht es in dem Papier, von einer unabhängig­en Institutio­n, z. B. dem Österreich­ischen Versicheru­ngsverband, durchgefüh­rt werden. Weiters ist geplant, dass die Prüfer von Finanzämte­rn und Gebietskra­nkenkassen in Zukunft zusammenge­legt werden. Es soll eine einheitlic­he Prüfbehörd­e bei der Finanzverw­altung geben.

Im Mai soll der Entwurf für das Sozialvers­icherungs-Strukturre­formgesetz in der Bundesregi­erung vereinbart werden. Anfang Juni wird das geplante Gesetz der Öffentlich­keit gemeinsam von ÖVP und FPÖ präsentier­t. Dann folgt eine sechswöchi­ge Begutachtu­ngsfrist. Im September soll es im Nationalra­t beschlosse­n werden und mit 1. Jänner 2019 in Kraft treten.

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BILD: SN/APA/H. NEUBAUER Die Reformplän­e der Regierung haben erste Proteste ausgelöst. Das Bild zeigt die Betriebsve­rsammlung des AUVA-Betriebsra­ts für den Erhalt des UKH Meidling in Wien.

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