Kassenreform: Kranksein wird anders
Die SN nahmen Einblick in einen Entwurf zur Reform der Sozialversicherungen. Die geplanten Änderungen sind beträchtlich.
Die Regierung macht ernst. Österreichs Sozialversicherungen werden verstärkt zentralisiert, die zukünftigen Verwaltungsräte bekommen ein Politikverbot und müssen vor ihrer Tätigkeit eine Prüfung ablegen. Das sind nur einige Punkte in einem Entwurf einer Ministervorlage zum Thema Sozialversicherungsreform, der den SN vorliegt. Ob exakt dieser Entwurf dann in einigen Wochen auch beschlossenen wird, wird sich zeigen. Die Grundzüge der Ideen der Regierung geben sie aber deutlich wieder.
1. Weniger Träger und zentrale Steuerung
Die 21 Sozialversicherungsträger werden auf fünf reduziert. Die neun Gebietskrankenkassen werden zu einer Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), die neun Landesstellen hat, zusammengeführt. Die Landesstellen sollen die regionalen Interessen gegenüber der ÖGK vertreten, außerdem sollen sie Kompetenzen in der regionalen Gesundheitsplanung erhalten und autonom über ihr Budget entscheiden können. Die erwirtschafteten Rücklagen der Gebietskrankenkassen bleiben in den Ländern.
2. Aus für die Betriebskrankenkassen
Die fünf Betriebskrankenkassen (Betriebskrankenkasse Kapfenberg, Betriebskrankenkasse Mondi Business Paper, Betriebskrankenkasse Voestalpine Bahnsysteme, Betriebskrankenkasse der Wiener Verkehrsbetriebe, Betriebskrankenkasse Zeltweg) werden in die Gebietskrankenkasse integriert. Die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft und die Sozialversicherung der Bauern werden zu einem „Selbstständigen Träger“fusioniert. Die Beamtenversicherung wird mit der Versicherungsanstalt der Eisenbahner und Bergbau (VAÖB) zusammengelegt. Die Krankenfürsorgeanstalten der Länder können sich auf freiwilliger Basis in die VAÖB integrieren. Etliche Länder, etwa Oberösterreich, haben das Ende ihrer Fürsorgeanstalten strikt abgelehnt.
Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger nimmt die gemeinsamen Interessen wahr und koordiniert die trägerübergreifenden Aufgaben.
3. AUVA-Reform soll Lohnnebenkosten senken
Klar wird aus dem Papier auch, worum es bei der Reform der AUVA hauptsächlich geht: um eine Reduzierung der Lohnnebenkosten von 500 Millionen Euro. Die Beiträge der Unfallversicherung sollen sinken. Derzeit müssen die Arbeitgeber 1,3 Prozent der Lohnsumme entrichten, dies soll per 1. Jänner 2019 auf 1,2 Prozent ge- senkt werden, in den Jahren darauf auf 0,8 Prozent. Dazu soll die AUVA verstärkt mit bestehenden Spitälern kooperieren, eine Einzelfallabrechung für Patienten soll eingeführt werden. Falls dieses Ziel nicht erreicht wird, soll die AUVA aufgelöst und die Leistungen in die Kranken und Pensionsversicherung überführt werden.
4. Neue Machtverteilung in den Kassen
Die Selbstverwaltung soll stark zurückgedrängt werden. So wird ein Verwaltungsrat die bisherigen Gremien (Vorstand, Kontrollversammlung, Generalversamlung) ersetzen. Auch die meisten anderen Ausschüsse in den Kassen werden aufgelöst. Diese waren bisher von Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern besetzt.
Die Anzahl der Mitglieder in den Gremien wird neu geordnet und zwar nach der Stärke der Beitragszahler. Der Verwaltungsrat der Gebietskrankenkasse wird in Zukunft fünf Arbeitnehmervertreter, fünf Arbeitgebervertreter und zwei Regierungsvertreter umfassen. Derzeit waren es vier Arbeitnehmervertreter und ein Arbeitgebervertreter. Auf Landesebene besteht der Verwaltungsrat aus drei Arbeitnehmerund drei Arbeitgebervertreter sowie einem Vertreter des Landeshauptmanns und einem Vertreter des Ministeriums. Die Gremien der anderen Sozialversicherungen werden ebenfalls neu geordnet. Auch hier wird es mehr Dienstgebervertreter und Mitglieder von Ministerien geben. Der Einfluss der Arbeitnehmervertreter wird reduziert – mit dem Argument, dass die Arbeitgeber ja für die Hälfte der Beiträge aufkommen müssen.
5. Versicherungswirtschaft soll Vorstände prüfen
Für die Personen, die in den Verwaltungsräten der Sozialversicherungen sitzen, will die Regierung die Unvereinbarkeitsbestimmungen verschärfen. Die Funktion eines Verwaltungsrats soll in Zukunft mit einem politischen Mandat unvereinbar sein. Dazu sollen Verwaltungsräte einen „fit & proper“-Test absolvieren. Dieser sollte, so steht es in dem Papier, von einer unabhängigen Institution, z. B. dem Österreichischen Versicherungsverband, durchgeführt werden. Weiters ist geplant, dass die Prüfer von Finanzämtern und Gebietskrankenkassen in Zukunft zusammengelegt werden. Es soll eine einheitliche Prüfbehörde bei der Finanzverwaltung geben.
Im Mai soll der Entwurf für das Sozialversicherungs-Strukturreformgesetz in der Bundesregierung vereinbart werden. Anfang Juni wird das geplante Gesetz der Öffentlichkeit gemeinsam von ÖVP und FPÖ präsentiert. Dann folgt eine sechswöchige Begutachtungsfrist. Im September soll es im Nationalrat beschlossen werden und mit 1. Jänner 2019 in Kraft treten.