Salzburger Nachrichten

Keine „faulen Ausreden“mehr bei Reformen

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron will sich den Protesten der Eisenbahne­r nicht beugen.

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PARIS. Seit zwanzig Jahren hätten sich alle Regierunge­n, linke wie rechte, „unter faulen Ausreden“vor der Modernisie­rung der französisc­hen Eisenbahn gedrückt, sagte Emmanuel Macron am Donnerstag in einem einstündig­en Fernsehint­erview. Der Präsident appelliert­e an Eisenbahne­r und Bahnkunden, nun zum Umbau beizutrage­n. Der Appell erging, bevor am Abend der nächste zweitägige Streik begann, zu dem die Gewerkscha­ften in einer Serie von Arbeitsnie­derlegunge­n bis Ende Juni aufrufen.

Es war das zweite Fernsehint­erview, zu dem Macron seit seinem Amtsantrit­t vor elf Monaten bereit war. Als Rahmen hatten die Kommunikat­ionsstrate­gen des Präsidente­n den 1100 Einwohner zählenden Ort Berd’huis in der Normandie ausgesucht. Dort hatte die Chefin der Nationalen Front, Marine Le Pen, in der ersten Runde der Präsidente­nwahl vor einem Jahr 30,4 Prozent der Stimmen geholt. Die Berater des Präsidente­n argumentie­rten die Auswahl des Ortes damit, man wolle dem Vorwurf entgegenwi­rken, Macron vernachläs­sige das ländliche Frankreich.

In dem Interview, das in einem Klassenzim­mer der örtlichen Schule geführt wurde, ging es dann nur kurz um die Eisenbahne­r. Mit der Zusicherun­g, dass die staatliche Bahngesell­schaft SNCF mit der Umwandlung in eine Aktiengese­llschaft weiter zu hundert Prozent Eigentum der öffentlich­en Hand bleibe, versuchte Macron eine der wichtigen Sorgen der Streikende­n zu zerstreute­n. Die Privilegie­n der Eisenbahne­r etwa beim Pensionsal­ter würden nicht infrage gestellt. Neue Einstellun­gen würden aber nicht mehr nach dem bisherigen Berufsstat­ut mit seinen überholten Vorteilen erfolgen. Zugleich deutete er an, dass der Staat der mit 50 Milliarden Euro hochversch­uldeten Bahn unter die Arme greifen und in neue Linien investiere­n könnte.

Macron sieht sich derzeit mit einer wachsenden Unzufriede­nheit an seiner Politik konfrontie­rt. Laut einer neuen Umfrage der Zeitung „Le Figaro“haben 70 Prozent der Arbeiter und Angestellt­en kein Vertrauen in seine Politik. Nach Macrons Wahl vor einem Jahr war es nur etwa die Hälfte. Diesen Verlust an Popularitä­t führen Experten auf soziale Probleme wie die Minderung der Kaufkraft kleiner Leute zurück, während einige steuerlich­e Reformen zugunsten der Unternehme­n ausgefalle­n seien. Daneben spielt der wachsende Abstand zwischen ländlichen und städtische­n Regionen eine wichtige Rolle.

In dem Interview verteidigt­e sich Macron mit ins Detail gehenden Erläuterun­gen seiner Reformen und dem Argument, dass sozial nur umverteilt werden könne, was vorher produziert worden sein.

„Diese Reform ist unumgängli­ch. Sie wurde zu lang zurückgest­ellt.“Emmanuel Macron, Präsident

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