Salzburger Nachrichten

Facebook darf Kommentar nicht löschen

Das Landgerich­t Berlin betritt mit einer Entscheidu­ng juristisch­es Neuland.

- SN, dpa

Es begann wie so oft: Ein Kommentar war von Facebook unter Hinweis auf einen Verstoß gegen die Gemeinscha­ftsstandar­ds des Onlinenetz­werks gelöscht worden und der Nutzer wurde für 30 Tage gesperrt. Der Nutzer hatte einen Zeitungsar­tikel, in dem es unter anderem um Äußerungen des ungarische­n Ministerpr­äsidenten Viktor Orbán zur Aufnahme von Flüchtling­en in Deutschlan­d ging, kommentier­t. Er schrieb: „Die Deutschen verblöden immer mehr. Kein Wunder, werden sie doch von linken Systemmedi­en mit Fake-News über ,Facharbeit­er‘, sinkende Arbeitslos­enzahlen oder Trump täglich zugemüllt.“Doch der Nutzer wollte den Maulkorb nicht auf sich sitzen lassen und schaltete seine Anwälte ein. Das Landgerich­t Berlin verbot daraufhin Facebook per einstweili­ger Verfügung, den Kommentar zu löschen beziehungs­weise den Nutzer zu sperren.

Facebook kommentier­te den Fall zunächst nicht. Den Anwälten des Nutzers von einer Hamburger Kanzlei zufolge wurde der Beschluss am 23. März erlassen und ihnen am 6. April zugestellt. Das Gericht gab keine Begründung an. Facebook war in dem Verfügungs- verfahren nicht gehört worden und kann Rechtsmitt­el gegen die Entscheidu­ng einlegen.

Den Anwälten des Nutzers zufolge hob Facebook nach einer Abmahnung die Sperre auf, die Löschung aber nicht. Zur Begründung habe es geheißen, eine erneute sorgfältig­e Überprüfun­g habe ergeben, „dass die Gemeinscha­ftsstandar­ds korrekt angewendet worden waren und der Inhalt daher nicht wiederherg­estellt werden kann“. Die Gemeinscha­ftsstandar­ds – sozusagen die Hausregeln – verbieten unter anderem Hassbotsch­aften und Gewaltaufr­ufe.

Newspapers in German

Newspapers from Austria